Immer mehr Frauen berichten von (ab)wertenden Kommentaren über ihren Körper während der Schwangerschaft seitens der Gynäkologen oder des Fachpersonals während der Vorsorge- bzw. Kontrolluntersuchungen. Meistens geht es um verletzende Bemerkungen über ihre runden Formen oder über die Gewichtszunahme, die als Bodyshaming bezeichnet werden. Die Fachstelle Essstörungen im Forum Prävention ruft daher alle Fachpersonen auf, Frauen in dieser besonderen Phase ihres Lebens zu unterstützen.
Der sich verändernde Körper der Frau ist in der Schwangerschaft zahlreichen gesellschaftlichen Urteilen ausgesetzt, umso wichtiger ist daher die emphatische und sachliche Beratung vonseiten des medizinischen Personals. Es ist von allen Seiten unangebracht, den Körper einer Frau in der Schwangerschaft ohne medizinische Belege zu beurteilen, verurteilen oder zu vergleichen.
Frauen werden gesellschaftlich ohnehin für ihr Körpergewicht unter Druck gesetzt. Dabei ist gerade in der Schwangerschaft ein sensibler Umgang mit dem Körper der Frau umso wichtiger. So berichten einige Frauen, ihnen sei seitens des Frauenarztes eine Gewichtszunahme von maximal 1 kg pro Monat, also 9 kg, empfohlen worden - und dies bei einem normalen Ausgangsgewicht (BMI 19-25).
Sieht man sich die Empfehlungen der WHO an, so hängen diese unmittelbar mit dem Ausgangsgewicht der Frau zusammen und lassen Spielraum. Bei einem Normalgewicht (BMI 18,5-24,9) vor der Schwangerschaft empfiehlt die WHO eine Gewichtszunahme von 11,5 bis 16 Kilogramm. Die Frage die sich dabei stellt ist, woher die Idee von einer Gewichtszunahme von einem Kilogramm pro Monat stammt.
In der Facebookgruppe Südtirols Sisters (SUSI) (2.558 Mitglieder), in der sich Südtiroler Frauen über verschiedene Themen austauschen, wurde das Thema neulich besprochen, nachdem eine im neunten Monat schwangere Frau eine unangenehme Erfahrung beim Gynäkologen gemacht hatte. In der Folge wurde das Thema auch in der vorwiegend italienischsprachigen Gruppe „Group of Sisters“ besprochen. Die Facebookbeiträge schlugen hohe Wellen, eine Vielzahl an Frauen berichtete von ihren bewegenden Erfahrungen.
Hier einige Berichte von jungen Müttern und schwangeren Frauen:
"Ich bin aktuell im 9. Monat schwanger und traf bei der letzten Vorsorgeuntersuchung auf einen Arzt der Superlative. Nach dem obligatorischen Wiegen ließ er den Spruch fallen: "Sie passen wohl gar nicht darauf auf, was Sie essen." Ich: "Nein, eigentlich nicht..." Eckdaten: Start meiner Schwangerschaft mit einem Gewicht von 73 kg bei einer Größe von 1,76 cm entspricht einem BMI von 23,3 (Normalgewicht). Aktuelle Zunahme in der Schwangerschaft 14 kg. Dann blickt er zur Krankenschwester und sagt: "Halten Sie fest, Patientin mit ADIPOSITAS." Wie bitte? Ich perplex und hochschwanger fühle mich, als wäre ich das riesigste Walweibchen, das dieser Arzt je gesehen hat.
“Ho passato tutta la gravidanza sentendomi in difetto. Ho sempre avuto problemi di sovrappeso ma da incinta sono stata spesso trattata come "non degna".... Addirittura alla morfologica al 5 mese la dottoressa non mi ha fatto vedere lo schermo perché, detto da lei: "con tutto questo grasso non si vede nulla". Ero mortificata. In sostanza, oltre alle normali paure che hai in gravidanza, ti trovi ad essere sotto costante esame e giudizio”
„Ich erwartete Zwillinge, hatte bis zum 9. Monat 22 kg zugelegt, bei einem Ausgangsgewicht von 54 kg. Immer wieder wurde ich von meinem Arzt, einer Koryphäe in seinem Gebiet (darauf beschränkt es sich dann aber auch), ermahnt, Diät zu halten, nix Süßes zu essen etc. Als mache frau sich nicht schon über 100 andere Dinge Gedanken während so einer Schwangerschaft. Dabei waren es bei mir v.a. Wassereinlagerungen. Hatte 2 Wochen nach der Geburt mein Ausgangsgewicht wieder, ohne zu diäten.“
“Anche io ci sono passata. Prima ecografia del mio primo figlio, commento del ginecologo: "questa è la giornata delle sirene!". Sarebbe dovuto essere il giorno più bello della mia vita, perché avrei sentito per la prima volta il battito del mio bambino, invece quel cretino ha rovinato tutto!!”
„Anfangs des neunten Monats meiner Schwangerschaft habe ich die Grippe bekommen. Von lauter husten konnte ich nicht schlafen. Die Halsschmerzen verhindert die Nahrungsaufnahme. Bei meiner 1,60 Größe und 50 Kg Normalgewicht habe ich 11 Kg zugenommen. Die Aussage des diensthabenden Frauenarztes im KH werde ich nie vergessen: "Medikamente bekommen sie in ihrem Zustand keine. Und dass sie nicht essen können? Das ist bei ihrem momentanen Gewicht eh besser.
“Quando sono rimasta incinta pesavo 58 kg per 1,70 cm di statura, quindi normopeso. Quando ero di circa 4 mesi andai a fare una visita di controllo e il ginecologo che c’era quel giorno mi ha fatto una ramanzina perché ero aumentata di 4 kg. Io ero scioccata. Ho spiegato al medico che fin da subito avevo cercato di mangiare sano e leggero, tant’è che il mio compagno mangiando quello che preparavo per me era addirittura dimagrito. Lui mi ha dato della bugiarda, dicendomi che in Africa le donne mettono su al massimo 5 kg in tutta la gravidanza e che se non la smettevo di “abbuffarmi” mettevo in pericolo mio figlio. Sono uscita piangendo, sentendomi una merda”.
„Der Besuch bei der Gynäkologin wurde zur Qual: jedes Mal wurde ich aufs Neue ermahnt und zusammengestaucht. Einmal meinte sie, ich solle doch einfach an Stelle von zwei Kugeln Eis, nur eine essen. Dabei war ich nach dem Abstillen ohne jegliche Diät wieder bei meinem Startgewicht“
“Alla prima gravidanza ho preso 14 kg, persi poi facilmente in poco tempo, ma secondo la mia ginecologa avrei dovuto aumentare al massimo un kg al mese.“
„Dass sich während des Kaiserschnitts der Arzt erlaubt hat folgendes zu sagen: Da sind aber ganz schön viele Fettschichten, der schmeckt wohl die Pasta..."
Das sind nur einige der zahlreichen Aussagen, von denen Frauen berichtet haben. Die meisten haben kaum Informationsgehalt, wenig umsetzbare Ratschläge zum Thema gesunde Ernährung und Adipositas.
„Wir stellen uns demnach die Frage, was Gynäkologen mit solchen Kommentaren beabsichtigen. Die Erfahrungsberichte zeigen, dass Frauen dadurch verunsichert wurden und die Sorge um das ungeborene Kind (‚Mache ich alles richtig?‘) zunahm“, so die Fachstelle Essstörungen im Forum Prävention. „Als Fachstelle Essstörungen im Forum Prävention zählt es u. a. zu unseren Aufgaben, junge Mädchen und Frauen darin zu unterstützen, sich in ihrem Körper wohlzufühlen. Abwertende und urteilende Kommentare über Gewicht, Aussehen und Figur der Frau in jeglicher Lebensphase haben keinen Platz. Einmal mehr sind wir deshalb auf Zusammenarbeit mit Fachpersonen angewiesen, um gemeinsam für das Thema Bodyshaming Sensibilisierungsarbeit zu leisten.“
Die Fachstelle Essstörungen ruft daher alle Fachpersonen auf, Frauen in dieser besonderen Phase ihres Lebens zu unterstützen. „Jede werdende Mutter will nur das Beste für ihr ungeborenes Kind und versucht mit einer möglichst gesunden und positiven Schwangerschaft dem Kind den besten Start ins Leben zu ermöglichen“, heißt es in einer Aussendung. „Urteilende Kommentare über Gewicht, Figur und Aussehen sind weder nützlich noch hilfreich. Sie sind verletzend. Sollte eine Frau aus gesundheitlichen Gründen an Gewicht verlieren, so sollte man sich die Frage stellen, ob die Schwangerschaft der richtige Zeitpunkt dafür ist.