Wirtschaft
Leerstände in Sterzing erhoben
24.09.2021
Spätestens seit dem Aufkommen der Einkaufszentren und des Online-Handels werden Befürchtungen laut, dass die Einzelhandelsgeschäfte aus den Südtiroler Innenstädten verschwinden könnten – massive Leerstände könnten die Folge sein. Derzeit gebe die Situation keinen Anlass zur Besorgnis, heißt es von Seiten des Handels- und Dienstleistungsverbandes (hds), der kürzlich eine Erhebung zu den Leerständen in Sterzing durchgeführt hat.
Wie Michael Kerschbaumer, Bezirksleiter des hds im Eisacktal/Wipptal, erklärt, könne man in Sterzing noch eine recht lebendige Innenstadt mit einem vielfältigen Angebot an Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistungen vorfinden. Die entscheidenden Faktoren, damit diese Attraktivität erhalten bleibt und sich weiterentwickeln kann, seien u. a. die Erreichbarkeit und die Frequenzen im Ort. Alle Akteure – Wirtschaftstreibende, Touristiker und Gemeinden – seien gefragt, kontinuierlich daran zu arbeiten. In den umliegenden Gemeinden komme zum einen der Nah- bzw. Grundversorgung eine entscheidende Bedeutung zu, die weiterhin garantiert werden müsse, zum anderen müssten diese Orte lebendig gehalten und den dort tätigen Betrieben Entwicklungsmöglichkeiten geboten werden.
Auf den Leerstand in Sterzing angesprochen, erklärt der hds-Bezirksleiter, dass dieser nicht besorgniserregend sei. Jedoch müsse er kontinuierlich monitoriert werden und dort, wo es notwendig sei, müsse eingegriffen werden. Dies sei eine der Aufgaben des Verbandes gemeinsam mit den Gemeindeverwaltungen. „Der Leerstand ist nicht nur ein Problem des Handels, sondern der gesamten Gemeinschaft im Ort“, so Kerschbaumer, der betont, dass 37 leerstehende Lokale in Erdgeschosslagen auf den ersten Blick eine sehr hohe Zahl erscheinen mag, man jedoch die Situation differenziert betrachten müsse. Man müsse dabei die Geschichte der einzelnen Betriebe berücksichtigen wie u. a. der drei Lokale (Frick Bar, Hula und Blumen Winkler) am Untertorplatz, die aufgrund von Umbaumaßnahmen geschlossen wurden. Eine überwiegende Mehrheit dieser Leerstände sei in einem guten infrastrukturellen Zustand und könnte mit geringem Aufwand zeitnah wieder einer Nutzung zugeführt werden, so Kerschbaumer.
Eine aktuelle Herausforderung im Handel ist sicher die Betriebsnachfolge, die nicht immer wie gewünscht oder wie erhofft erfolgt. Das sei jedoch ein allgemeines Phänomen – davon sei ganz Südtirol betroffen. „Es sind also die Weichen zu stellen, damit in Zukunft das ‚Unternehmer sein und werden‘ weiterhin attraktiv bleibt. Aus der jungen Generation kommen nicht nur die zukünftigen Fach- und Führungskräfte, sondern auch die Unternehmer von morgen. Diese gründen neue Betriebe oder übernehmen bestehende Tätigkeiten.“
Corona und der Handel
„Eines steht absolut fest: Der Handel gehört – neben einigen Sektoren im Dienstleistungsbereich wie etwa Reisebüros, Eventdienstleister oder Fitnesscenter – zu den größten Verlierern der Pandemie“, unterstreicht Kerschbaumer. Viele Geschäftstätigkeiten seien in Richtung Online-Handel abgewandert, vor allem hin zu den Online-Giganten. Der Strukturwandel sei derzeit voll im Gange und fordere von den Unternehmen eine Neuorientierung in Sachen Digitalisierung und der Erschließung neuer Betriebswege, um die lokalen Kreisläufe und den Konsum anzukurbeln. Zum lokalen Einkaufen gehört mittlerweile nicht nur der stationäre Handel, sondern auch die Online-Variante. Mit maßgeschneiderten Digitalisierungspaketen versucht der hds die Betriebe bei Umstrukturierungsmaßnahmen zu unterstützen. Gerade viele stationäre Handelsbetriebe konnten und mussten im vergangenen Jahr während der wochenlangen Zwangsschließungen in diesen Bereichen dazulernen und kurzfristig auf virtuelle Instrumente umsatteln. Ein kompletter Online-Shop ist dabei nicht zwingend – und für viele auch nicht zu stemmen, jedoch die digitale Präsenz. „Online-Präsenz darf keine Frage der Größe sein, sondern muss als Serviceangebot gesehen werden. Somit: Die Digitalisierung fängt klein an!“, betont Kerschbaumer.
Das zunehmende Verschwinden alteingesessener Betriebe, die von internationalen Ketten verdrängt werden, wird zunehmend zu einem Problem für die Südtiroler Innenstädte. Traditions- und inhabergeführte Betriebe sind das Gesicht einer Innenstadt und eines Ortszentrums. Sie machen den Charakter und den Charme eines Ortes aus. Wie der hds-Bezirksleiter erklärt, seien Ladenketten zwar Magnete, aber aufgrund der Tatsache, dass man sie überall findet, würden die Orte verwechselbar. „Die große Herausforderung ist es, auch da mit der Zeit zu gehen und in Digitalisierung zu investieren. Genau das müssen diese Betriebe jetzt lernen. Es reicht nicht mehr aus, gute Produkte und ein tolles Sortiment zu haben. Dieses muss sichtbar gemacht werden.“
Auf die vielfach geäußerte Kritik, dass die Mieten in den Innenstädten zu hoch seien, entgegnet Kerschbaumer, dass dort, wo der Mix an Angebot und die Frequenz im Ort passen, entsprechend eine andere Miete verlangt wird als etwa in einer B-Lage oder gar in der Peripherie. „Grundsätzlich sind die Mietkosten sicher für viele Betriebe ein relevanter Kostenfaktor.“
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