Dein Silberhaar.
Deine hart gewordenen Hände.
Dein Ächzen am Fuß der Treppe.
Der milchige Schimmer in Deinen Augen.
Gesegnet sei, was hinter dir liegt.
Die Fülle der Jahre,
gelebtes Leben,
Du geliebter Mensch im Herbst deines Seins.
Dein heiseres Lachen.
Das dunkle Blau deiner Adern.
Die Müdigkeit, lange vor dem Abend.
Das Schwinden deiner Erinnerung.
Gesegnet sei, was vor dir liegt.
Tage des Glücks, Tage der Mühe,
die nahende Schwelle des Übergangs.
Du geliebter Mensch unter Gottes geduldigen Augen.
Diese Zeilen von Giannina Wedde bringen die Erfahrungen zum Ausdruck, wenn man einen alten Menschen in den letzten Jahren seines Lebens begleiten, pflegen, umsorgen und erleben darf.
Viele Menschen – sei es familiär, nachbarschaftlich, beruflich und auch ehrenamtlich – widmen sich mit Aufopferung diesem wichtigen Dienst am Mitmenschen.
„Gesegnet sei, was hinter dir liegt, gesegnet sei was vor dir liegt.“ Auch im Alter hat jeder seine Würde, auch in den Gebrechlichkeiten des Alltags und in den Erfahrungen des Älterwerdens und Loslassens. Für uns Christen sind die Tage des Monats November besonders mit der Erinnerung an unsere lieben Verstorbenen verbunden. Durch das Gedenken an die Menschen, die uns vorausgegangen sind, wird uns auch die eigene Begrenztheit bewusst. Jeder Mensch, der eine früher, der andere in einem gesegneten hohen Alter, muss das Leben lassen.
„Die nahende Schwelle des Übergangs“ ist ein treffender Hinweis auf unseren christlichen Auferstehungsglauben. Schwelle kommt vom althochdeutschen suelli, suuella, was „tragender Balken“ bedeutet. Als glaubende und hoffende Menschen können wir uns sicheren Fußes, ohne zu Wanken, auf die andere Seite des Lebens begeben. Jesus hat für uns diesen Balken, den Kreuzesbalken getragen, der für uns wie eine sichere Brücke über den Abgrund des Todes zum ewigen Leben führt. So ist der Tod das Tor, das aufgeht zu einem neuen Leben.
Diese hoffnungsvollen Gedanken dürfen uns begleiten, wenn wir im Monat November die Gräber unserer Verstorbenen besuchen, an sie denken, eine Kerze entzünden und für sie beten. „Du geliebter Mensch unter Gottes geduldigen Augen.“
Simon Walter, Pastoralassistent