Wirtschaft
Bauern fordern ein wolfsfreies Wipptal!
05.04.2019„Wolfsmanagement in der Sackgasse – kritische Anmerkungen zum italienischen Weg“ stand groß an der Wand projiziert und damit wurde auch gleich die Richtung vorgegeben, in welche die gestrige (4. April) Info-Veranstaltung in Stilfes zum Thema Wolf ging. Eingeladen dazu hatte der Südtiroler Bauernbund unter seinem Bezirksobmannstellvertreter Matthias Braunhofer. Binnen weniger Tage hatte er die Veranstaltung organisiert und Politiker wie auch Forst- und Landesbeamte als Vortragende gewinnen können.
Der Saal war brechend voll, aus allen umliegenden Gemeinden waren Bauern und interessierte Bürger nach Stilfes gekommen. Was man deutlich wahrnehmen konnte, waren Zorn, Angst und vor allem Unsicherheit.
Der Grund? Vor rund einer Woche tauchten die ersten Meldungen auf, wonach sich ein Wolf in der Gemeinde Freienfeld aufhalten sollte. Aus einem Wolf wurden zwei und gestern berichtete Walter Rienzner von der Dienststelle für Jagd- und Fischereiaufsicht, dass man effektiv die Bestätigung für drei Wölfe im Wipptal habe. Ob sie bleiben, wie lange sie bleiben oder sich sogar hier dauerhaft ansiedeln werden – das wusste keiner der Referenten zu sagen.
Bedauerlicherweise schien unter einigen Anwesenden auch kein wirkliches Interesse am Thema Wolf zu bestehen, wie ein Zwischenrufer bemerkte. Und der einzige Referent, nämlich Walter Rienzner, der Fakten zum Wolf lieferte, wurde in seinem Vortrag unterbrochen bzw. musste ihn aus Zeitgründen kürzen. So war die Informationsveranstaltung eigentlich eine Kundgebung gegen den Wolf, in der die Anwesenden ihrem Ärger deutlich Luft machten. Das Fazit: Für Wölfe gibt es im Wipptal keinen Platz! Zwischenrufe wie „Wegtian des Zuig!“ waren zu hören. Aufgebrachte Bürger suchten Schuldige in den Gesetzesvertretern und äußerten den Vorwurf, dass Medien, die Forstbehörde und das Amt für Jagd- und Fischerei größeres Interesse daran zu haben scheinen, auf den Wolf aufzupassen als ihn loszuwerden.
Aus Sicht vieler Bauern, deren größte Leidenschaft die Kleintierzucht und Almbewirtschaftung ist, ist diese Haltung durchaus verständlich. Für viele sind ihre Ziegen, Schafe, Esel und andere Haustiere weit mehr als nur ein Hobby, sie sind ihre Passion. Viele hängen an ihren Tieren und möchten sie nicht an die Wölfe verlieren. Geld könne diesen Verlust nicht ersetzten, wie einige Bauern bekundeten. Nicht wenige riefen dazu auf, das Problem in Eigenregie zu lösen bzw. die Wölfe zu töten. Dafür ernteten sie johlenden Beifall. Sogar der Bezirksobmann des Bauernbundes Eisacktal Daniel Gasser konnte sich unterschwellige Kommentare Richtung Selbstjustiz nicht verkneifen. Und so ignorierten die meisten Rienzners Warnung, dass mit Wildern und unkontrollierten Abschüssen noch mehr Schaden angerichtet würde. Wie der Forstbeamte erklärte, gebe es inzwischen im Trentino und in der Schweiz mehrere Wolfsrudel und auf ihrer Wanderschaft legten sie ungeheure Distanzen zurück. „Wir sind von Wölfen umzingelt“, so Rienzner. Die Forderung nach einem wolfsfreien Südtirol sei somit Illusion.
Konrad Pfattner vom Amt für Bergwirtschaft klärte die Anwesenden über Maßnahmen zum Herdenschutz und Behirtung auf sowie über Fördermaßnahmen, welche allerdings auf keine sonderlich große Begeisterung stießen: Zu weitläufig sei das Wipptaler Gebiet, zu arbeitsintensiv das Anbringen von Zäunen, die man jeden Tag kontrollieren müsse, ebenso wie das tägliche Eintreiben der Tiere in den Schutzpferch. Nicht umsetzbar, so das Fazit! Zudem berge die Behirtung mit Schutzhunden auch für den Tourismus Gefahren. Denn gut ausgebildete Schutzhunde würden mitunter nicht zwischen einem Wanderer und einem Wolf unterscheiden, wie Pfattner erklärte.
Heinrich Aukenthaler, Geschäftsführer des Südtiroler Jagdverbandes, zeigte die gesetzlichen Rahmenbedingungen auf, in denen man sich in puncto Wolfsmanagement bewegen müsse. In der sogenannten Flora-Fauna-Habitat-Richtlinie (Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992) ist der Wolf in Anhang IV unter den streng geschützten Tiere aufgelistet. Legale Entnahmen seien nur unter bestimmten Voraussetzungen möglich, so müsse einerseits nachgewiesen werden, dass alle anderen Herdenschutzmaßnahmen angewandt, aber wirkungslos geblieben seien, und die Population durch Entnahmen nicht gefährdet würde.
Senator Meinhard Durnwalder und Kammerabgeordneter Albrecht Plangger erklärten den Anwesenden, wie schwierig es sei, die Südtiroler Forderung nach einem Wolfsmanagement durchzusetzen und sparten auch nicht mit Kritik an der italienischen Wolfspolitik. Der von der Landesregierung eingebrachte Gesetzesentwurf zum Wolfsmanagement sei zurückgewiesen worden, eine endgültige Entscheidung darüber erwarte man sich im Laufe des Sommers.
Der Schutz bedrohter Arten, zu denen der Wolf zählt, unterliege dem Umweltministerium. Der derzeitige Minister Sergio Costa habe kein Verständnis für die Südtiroler Belange – umgekehrt scheint es jedoch genau so zu sein. Denn einige Aussagen Planggers wirkten einigermaßen befremdlich: Die Italiener verstünden nichts von der Jagd, diese hätten ihnen die Südtiroler erst beigebracht. Die Wölfe sollten sich zu den Wildschweinen verziehen, die in einigen Gegenden Italiens in Überpopulationen vorkommen würden.
Was an diesem Abend ebenfalls kritisiert wurde, war die mangelnde Informationsweitergabe. Weder Gemeindeverwalter noch Bevölkerung seien rechtzeitig auf die Anwesenheit von Wölfen hingewiesen worden. Ein Bauer erfuhr während der Veranstaltung, dass sich die Wölfe in unmittelbarer Nähe zu seiner Schafherde aufgehalten haben. So erging auch der Appell an die Zuständigen, dass man rechtzeitig und umfassend informiert werden möge und nicht erst aus den Medien von den Vorgängen erfahren müsse.
Was nun?
Die eigentliche Frage „Was nun?“ wurde an diesem Abend nicht beantwortet. Und während die Sorge um die Tiere eine Sache ist, ist die Angst um das eigene Leben oder sogar das der Kinder eine völlig andere. So wurden auch Fragen laut wie: „Kann ich meine Kinder noch im Wald spielen lassen? Wer ist verantwortlich, wenn tatsächlich Menschen angegriffen werden? Wer kommt dann für den Schaden auf?“ Antworten, welche die Anwesenden beruhigt hätten, kamen allerdings nicht. Auch die Aussage von Luigi Spagnolli, Direktor des Amtes für Jagd und Fischerei, dass der Wolf kein Interesse an Menschenfleisch habe, beruhigte die Gemüter nicht. Durnwalder erklärte zwar, dass Selbstverteidigung erlaubt sei, wenn man um sein Leben fürchten muss, wie man sich selbst verteidigen soll, erwähnte er allerdings nicht. Und es ist wohl kaum anzunehmen, dass sich ein Wolf davon beeindrucken lässt, wenn man ihm ein Holzscheit oder einen Stotz hinterher wirft. Also was nun?
Einen ausführlichen Bericht zum Thema Wolf lesen Sie in der nächsten Ausgabe des Erker.
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