Politik
„Es wird sicher noch länger dauern!“
06.04.2020
Regierungstätigkeit in Zeiten von Corona — nicht immer einfach: eingeschränkter Parteienverkehr, Umstellung auf Smart Working und Gelder, die in der Gemeindekasse fehlen. So sieht seit mehr als zwei Wochen der Alltag in den Südtiroler Gemeinden aus und voraussichtlich wird dieser Zustand noch einige Zeit anhalten. Im Gespräch mit dem Erker schildert Bürgermeister Fritz Karl Messner die derzeitige Situation in der Gemeinde Sterzing.
„Wir versuchen die Bewegungen in den öffentlichen Ämtern auf ein Minimum zu reduzieren“, schildert Messner die derzeitige Lage. In jedem Büro sitzt nur eine Person, die sich um die täglichen Belange der Gemeinde kümmert. Auch er selbst sucht das Büro nur auf, wenn es nicht anders geht. Das Smart Working Konzept, die Arbeit vom PC zuhause aus funktioniert recht gut, so Messner. Die letzten Stadtratssitzungen wurde über eine Video-Schaltung abgehalten, ebenso die Sitzungen des Rates der Gemeinden. Auch die Mitglieder der Zivilschutzkommission können sich auf diese Art und Weise absprechen. „Wir verfolgen natürlich alle staatlichen Verordnungen und jene des Landes und versuchen umgehend, diese Informationen an die Öffentlichkeit weiterzugeben“, erklärt Messner. Für die Bekanntmachungen wird die Homepage der Gemeinde genutzt, aber auch der TV-Kanal Sterzing, der über Info Südtirol TV ausgestrahlt wird. Eine Woche vor der Entscheidung der Landesregierung habe man bereits darauf aufmerksam gemacht, sich nicht in Gruppen zu versammeln, sich von Parkanlagen und Kinderspielplätzen fern zu halten und diese zu sperren, sobald man merkte, dass die Appelle nichts nützten. Offiziell ist auch der Friedhof gesperrt. „Wir werden aber sicherlich keine Witwe bestrafen, die vor kurzem ihren Mann verloren hat und das Grab besuchen möchte“, betont Bürgermeister Messner.
Um die finanzielle Situation der Bürger zu entspannen, wurden Zahlungen ausgesetzt wie beispielsweise jene für Kindergärten und Mensen. An die Besitzer von Zweitwohnungen erging die Aufforderung, in ihre Wohngemeinde zurückzukehren, auch vor dem Hintergrund, dass diese Personen sich im Krankheitsfalle nicht an ihren Hausarzt wenden können.
Erker: Herr Bürgermeister Messner, wie sieht die Situation in Sterzing aus? Halten sich die Menschen an die Anordnungen?
Bürgermeister Fritz Karl Messner: Ich bekomme immer wieder Hinweise seitens der Bevölkerung, dass bestimmte Anordnungen nicht eingehalten werden; beispielsweise, wenn Personen in Gruppen auf den Spazierwegen und Radwegen unterwegs sind. Diese Hinweise werden an die zuständigen Ordnungsorgane weitergeleitet. Deshalb meine Aufforderung an die Bevölkerung: Bitte, haltet diese Maßnahmen ein, denn jeder, der sich nicht daran hält, kann verantwortlich dafür sein, dass diese Situation noch länger andauert. Ich bekomme regelmäßig die Rückmeldung seitens der Stadtpolizei und ich bin überzeugt, dass sicherlich 90 Prozent der Bevölkerung den Ernst der Lage erkennt und sich an die Verordnungen hält, ich glaube aber auch, dass es einige wenige schwarze Schafe unter uns gibt, welche ich wirklich ersuchen möchte, sich nicht nur im Interesse der Gemeinschaft daran zu halten, sondern auch im Interesse ihrer eigenen Familie. Sollte sich die Situation verschlimmern, wird härter gestraft werden müssen.
Wir alle haben im Fernsehen die Bilder aus China gesehen. Hätten Sie jemals gedacht, dass die Pandemie solche Auswirkungen haben könnte?
Ich bin kein Mensch, der sich Szenarien ausmalt. Ich versuche, mich mit der Realität auseinanderzusetzen. Meine Meinung dazu ist: Jetzt haben wir nun mal diese Situation und als Amtsperson versuche ich, das mir Mögliche zu tun. Sicher wurde dieses Virus von allen unterschätzt und wenn ausgewiesene Experten der Medizin erklären, dass sie Tag für Tag lernen, dann müssen wir wohl ebenfalls Tag für Tag lernen. Wenn sich aber 90 Prozent der Menschen an die Verordnungen halten, ist das meiner Ansicht nach ein Zeichen dafür, dass die Leute sehr schnell lernen, besonders wenn es um die eigene Gesundheit geht. Ich möchte an dieser Stelle nicht vergessen, dem ärztlichen Leiter des KH Sterzing, Dr. Michael Engl, und auch der Direktorin der Sozialdienste, Christine Engl, zu danken. Dieser Dank gilt zudem allen Ärzten und Mitarbeitern in den ambulanten Diensten in der Stadt und im Bezirk sowie den Mitarbeitern und Freiwilligen des Weißen Kreuzes. Sie erbringen derzeit einen Dienst, ohne den alles zusammenbrechen würde. Auch ist es mir ein Anliegen, jenen zu kondolieren, die einen Angehörigen verloren haben, und jenen, die krank sind, gute Besserung und viel Gesundheit zu wünschen.
An die Zukunft gedacht: Auch wenn die Verordnungen nach Ostern gelockert werden könnten ...
Ich glaube, dass es sehr viel langsamer gehen wird, als wir uns das heute wünschen würden. Man sollte den Leuten nicht zu viele und vor allem keine falschen Hoffnungen machen. Ich bin mir wohl bewusst, dass es einige sehr große Härtefälle für Familien und Betriebe geben wird. Auf lange Sicht ist es aber wichtig, dass möglichst wenig Menschen zusätzlich und unnötig zu Schaden kommen. Darin liegt ja der Sinn dieser Restriktionen, die weltweit erlassen werden. Es wird sicher länger dauern, bis sich die Wirtschaft erholt, aber man muss in diesem Lichte die Sachen einfach anders sehen. Wir müssen schauen, das durchzustehen. Ich wünsche uns allen, dass wir mit Besonnenheit und Ruhe überlegt die richtigen Entscheidungen treffen und die richtigen Schwerpunkte setzen. Wenn Härtefälle auftreten, gibt es bei uns Gott sei Dank Menschen und Organisationen wie das Weiße Kreuz, die Vinzenzgemeinschaft, die Caritas und viele andere freiwillige Organisationen, die still helfen.
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