Politik
Dürfen die Deutschen kommen?
21.05.2020
Ohne Grenzöffnung kein Tourismus, so die einhellige Meinung der Südtiroler Touristiker. Schließlich hängt dieser bedeutende Südtiroler Wirtschaftssektor in hohem Maße von ausländischen - sprich bundesdeutschen - Gästen ab. Nach Medienberichten des ZDF habe sich Deutschland nur unter der Voraussetzung bereit erklärt, am 15. Juni die Grenzen zum Nachbarland Österreich zu öffnen, wenn gleichzeitig die Grenzen zwischen Österreich und Italien dicht blieben. Keine zwischenstaatlichen Lösungen, sondern Lösungen auf regionaler Ebene hingegen schlägt die EU vor - eine verzwickte Lage. Im Gespräch mit Tourismuslandesrat Arnold Schuler.
Erker: Die große Debatte dreht sich momentan um die Grenzöffnung zu Österreich und die Scheu Deutschlands, seine Bürger in den Urlaub nach Italien fahren zu lassen.
Arnold Schuler: Es ist uns allen bewusst, dass die Gäste aus unserem eigenen Land nur einen bescheidenen Anteil am Umsatz in der Tourismusbranche haben. Ob die Vereinbarung zwischen Deutschland und Österreich so zutrifft, wie gemunkelt wird, kann ich nicht beurteilen. Überrascht hat mich allerdings die Vorgehensweise. Am gleichen Tag, als die Grenzöffnung zwischen Deutschland und Österreich bekannt wurde (13. Mai, Anmerkung der Redaktion), hat die Europäische Kommission ihre Pläne für eine Grenzöffnung vorgestellt, die differenziert nach Regionen umgesetzt werden soll, auf Grundlage der jeweiligen epidemiologischen Situation. Umso überraschender war dann das Vorpreschen von Deutschland, das nicht nur die Grenzübertritte zu Österreich gelockert hat, sondern auch zu Frankreich, das sich laut epidemiologischen Fallzahlen in einer ähnlichen Situation wie Italien befindet. Auch Österreichs Entscheidung, seine Grenzen zu Deutschland zu öffnen, während gleichzeitig die Brenner-Grenze weiterhin Tabu ist, entspricht nicht den Grundsätzen der EU-Kommission. Denn während Gebiete gleich hinter der österreichisch-deutschen Grenze zu den Hotspots der Corona-Pandemie in Deutschland zählen, stehen nicht nur Südtirol, sondern auch viele Regionen Mittel- und Süditaliens, sehr gut da. Der Vorschlag der EU-Kommission wäre also ganz im Sinne der Europaregion Tirol. Umso enttäuschender waren die Aussagen gerade von Seiten Österreichs.
Ist eine Öffnung nach Regionen überhaupt umsetzbar bzw. wie?
Indem man den gleichen Weg wie bei der Umsetzung der Quarantäne-Maßnahme geht - nur eben in umgekehrter Richtung. Am Beginn der Pandemie wurden Reisebeschränkungen für China erlassen. Als sich die Situation in Europa und hier vor allem in der Lombardei verschärft hat, wurden zuerst Reisewarnungen für bestimmte Gemeinden erlassen, dann für bestimmte Regionen und schließlich haben die Staaten ihre Grenzen dicht gemacht. Bei der Öffnung sollte man genauso vorgehen: zuerst die Reisbeschränkungen zwischen den Staaten aufheben und Beschränkungen nur für bestimmte Regionen bzw. Gemeinden beibehalten und diese Beschränkungen müssen der jeweiligen Situation angepasst werden. Entscheidend soll dabei sein, welchem Infektionsrisiko man ausgesetzt wird. So wird wohl niemand heute ernsthaft behaupten können, dass es „gefährlicher“ ist, von Innsbruck nach Sterzing zu fahren als von Salzburg nach Rosenheim.
Italien wird am 3. Juni seine Grenzen wieder für EU-Bürger öffnen, für Mitte Juni erwartet die Landesregierung wieder die ersten ausländischen Urlaubsgäste. Wie realistisch ist dieser Fahrplan?
Ich gehe davon aus, dass dieser Zeitpunkt realistisch ist - und auch bleibt. Italien hat nun einen wichtigen Schritt gesetzt und öffnet ab 3. Juni wieder seine Tore. Auch die anderen Staaten Europas werden in absehbarer Zeit dem gleichtun, womit die Reisefreiheit für weite Teile Europas wiederhergestellt werden wird. Am Ende werden sich alle auf den europäischen Gedanken besinnen müssen und sich bewusst werden, dass einseitige Beschränkungen, gerade im Bereich des Tourismus, verheerende Folgen hätte. Denn dadurch würden vor allem die südlichen Länder Europas wirtschaftlich in die Knie gezwungen - mit entsprechenden Folgen für ganz Europa.
Interview: at