Politik
Programmatisches Dokument vorgestellt
17.11.2020
Am vergangenen Mittwoch fand die Gemeinderatssitzung, zwar in Präsenz, aber unter Ausschluss der Öffentlichkeit, im Vigil-Raber-Saal statt. Grund dafür waren mehrere Abstimmungen, in welchen die Gemeindevertreter für die verschiedenen Gremien in einer geheimen Wahl bestimmt werden sollten.
Ob es an der derzeitig allgemeinen gereizten Stimmung lag oder die in den vergangenen Jahren „gepflegten“ Umgangsformen eine Fortführung erfahren sollen, der Ton im Sterzinger Gemeinderat ist rau wie eh und je. Nach einem Disput über das im Gemeinderat angemessene höfliche Verhalten zwischen Bürgermeister Peter Volgger und Gemeinderätin Evi Frick (SVP) hat letztere jedenfalls die Sitzung verlassen. Dem vorausgegangen war die Vorstellung des programmatischen Dokuments des Bürgermeisters, in welchem er die Ziele für die nächste Verwaltungsperiode vorstellte. Die finanziellen Spielräume seien begrenzt und die finanziellen Mittel beinahe ausgelaugt, so Volgger einleitend. Dennoch wolle man sich als Team den Herausforderungen stellen. Zu den wichtigsten Bauprojekten, die bereits von der Vorgängerverwaltung auf den Weg gebracht wurden, zählt die Sanierung des Mittelschulgebäudes und der Neubau des Bezirksaltenheimes. Auch eine Neugestaltung der Kreuzung Sterzing - Pfitsch wird ins Auge gefasst; weiters gibt es Überlegungen, die Abfallinseln mit Videokameras zu überwachen, die Feuerwehrhalle in Thuins zu renovieren, den italienischen Kindergarten zu erweitern sowie Wohnraum für Ärzte- und Pflegepersonal zu schaffen; der Ausbau der Parkplätze außerhalb der Stadt wird befürwortet ebenso die Einrichtung eines Erlebnisweges, der ins Stadtzentrum führt. Weiterhin einsetzen möchte man sich für den barrieregerechten Umbau des Bahnhofes auf dem Gemeindegebiet Pfitsch; in puncto Wirtschaft wolle man Rahmenbedingungen schaffen, um den Handel, das Handwerk, die Industrie und die Landwirtschaft zu stärken, so Volgger. Großer Bedeutung komme dem Seilbahnbetrieb auf dem Sterzinger Hausberg zu, für dessen Fortbestand man alles Notwendige tun werde - auch im Hinblick auf die Erneuerung der Umlaufbahn, die im Jahr 2022 in Angriff genommen werden soll und für die man gemeinsam nach Finanzierungsmöglichkeiten sucht. Man stehe voll hinter der bereits in der letzten Legislaturperiode gefassten Absichtserklärung, den Ansitz Jöchlsthurn und Enzenberggarten zu erwerben. Für die Sportzone soll ein strategischer Entwicklungsplan und ein Gesamtkonzept erstellt werden. Beim Thema Verkehr soll das Hauptaugenmerk auf der Verhinderung der Staus auf der Autobahn und der Lösung der Parkplatzproblematik für LKW besonders an den Wochenenden liegen, weiters soll der City-Bus-Dienst ausgebaut werden. Die zahlreichen ehrenamtlich geführten Vereine, die das Rückgrat der Gesellschaft bilden, werde man weiterhin unterstützen, so Volgger. Ebenso werde man die Familien unterstützen und sich für leistbaren Wohnraum, Betreuungseinrichtungen, Spielplätze sowie familienfreundliche Tarife bei den Freizeitangeboten einsetzen. Eingerichtet werden soll zudem ein Jugendbeirat, in welchem die Jugendlichen ihre Wünsche vorbringen und die Entwicklung der Stadt mitgestalten können. Man wünsche sich auch eine Fortführung der Tätigkeit des Seniorengemeinderates, der sich in der Vergangenheit bewährt habe. Weiterhin einsetzen werde man sich für die Erhaltung des Krankenhauses Sterzing und die Besetzung der Primariatsstellen, nicht aus den Augen verlieren wolle man die Wiedereinrichtung der Geburtenstation Sterzing und Anreize für Hausärzte schaffen, die in Sterzing eine Praxis eröffnen möchten. Um die sportlichen Aktivitäten zu fördern und die Sportvereine zu unterstützen, soll ein eigener Ansprechpartner dafür ernannt werden, ebenso soll ein strategischer Entwicklungsplan und ein Konzept für die Sportzone erstellt werden. Weiterhin unterstützt werden soll auch die Zusammenarbeit mit den verschiedenen Kulturvereinen, die mit ihren Angeboten wesentlich dazu beitragen, Sterzing zu einer attraktiven Tourismusdestination zu machen; unterstützt werden dabei auch Initiativen der verschiedenen Marketing-Plattformen.
Lydia Untermarzoner (SVP) sprach die aktuelle schwierige wirtschaftliche Lage an und übte Kritik, dass dies keine Erwähnung im programmatischen Dokument finde. Weiters erkundigte sich die Gemeinderätin, ob es möglich sei, Mietern gemeindeeigener Immobilien, die in finanziellen Schwierigkeiten geraten sind, entgegen zu kommen. Laut ihres Wissens seien einige Privateigentümer während der Frühjahrs-Covid-Welle ihren Mietern dahingehend entgegen gekommen, dass sie auf Mietbeiträge verzichtet hätten. „Wir müssen uns die jeweilige Situation genau ansehen, aber selbstverständlich besteht die Bereitschaft, den Mietern entgegen zu kommen“, so Bürgermeister Volgger. Gemeinderat Benno Egger präzisierte, dass Mieter sowohl von privaten als auch gemeindeeigenen Immobilien 60 Prozent des Mietbeitrages vom Staat erstattet bekommen. Das habe für das Frühjahr gegolten und gelte nun wieder für die Monate Oktober bis Dezember. Aufgrund einer falschen Katastereinstufung seien jedoch einigen Mietern im Frühjahr diese Kosten nicht erstattet worden und in diesen Fällen hätten die privaten Vermieter, da es ihre Aufgabe gewesen wäre, die Immobilie im Katasteramt richtig eintragen zu lassen, auf die Miete verzichtet. Seiner Meinung nach sei deshalb die Gemeinde nicht verpflichtet, auf Mieteinnahmen zu verzichten. Nach einigen Wortgefechten, Frick wurde von Volgger mehrmals aufgefordert, Wortmeldungen nicht zu unterbrechen und Zwischenrufe zu unterlassen, bestand diese darauf, die zusammengefasste Aussage von Egger in das Protokoll aufzunehmen, Egger verwehrte sich vehement dagegen, dass die SVP-Gemeinderätin in seinem Namen etwas zu Protokoll gibt und verbat sich solche Aktionen für die Zukunft. Verena Debiasi erklärte, dass die Gemeinde für eine Gleichbehandlung aller Bürger eintreten müsse. Einige wenige dürften nicht eine Vorzugsbehandlung bekommen, sondern man müsse nach Lösungen suchen, die allen gleichermaßen zugute kommen.
Heftige Kritik am Strategiedokument wurde seitens Evi Frick im Namen der SVP-Gemeinderäte geübt. Bereits im Vorfeld habe man mehrere Versuche unternommen, um die Gemeinderatssitzung per Video-Konferenz abhalten zu können bzw. durch Corona bedingt abwesenden Gemeinderatssmitgliedern durch Zuschaltung eine Teilnahme zu ermöglichen. Diese Vorgehensweise sei alles andere als korrekt, so Frick, da die Anordnungen der Landesregierung ein Versammlungsverbot vorschreiben und Sitzungen der öffentlichen Verwaltungen im Rahmen von Video-Konferenzen abgehalten werden sollten. Inhaltlich sei das Dokument sehr oberflächlich gehalten, wenig aussagekräftig und es seien kaum konkrete und gezielte Vorhaben vorgesehen. Der Ausbau des Glasfasernetzes sei nicht erwähnt, wichtige Konzepte wie Bauleitplan oder Akustikplan kämen nicht vor, zudem fehlten konkrete Vorschläge für das Sportzonenkonzept, Rad- und Spazierwege. Im Bereich Familie scheine entweder die Kompetenz oder der Wille zu fehlen, so Frick. Für Schule und Ausbildung gebe es keine Pläne. Auch die Ausführungen zum Thema Wirtschaft finde sie erschreckend. Alles in allem sei dieses Dokument eine Enttäuschung. Auch Werner Graus hatte eine schriftliche Stellungnahme vorbereitet, die er den anwesenden Gemeinderäten vortrug. Er hatte Hoffnung auf eine Wende gehegt, die offenbar nicht erfüllt wurde. Nicht angesprochen worden sei die jahrzehntelange Misswirtschaft, die für leere Gemeindekassen gesorgt habe. Einige, die dafür verantwortlich seien, säßen nun wieder an der Spitze der Gemeindeverwaltung. Nur wenige wichtige Punkte seien konkret näher erörtert worden, Innovationen zu Digitalisierung, Wirtschaft und Tourismus seien nicht vorhanden.
„Per quanto riguarda la situazione delle scuole, credo che questo discorso programmatico sia abbastanza soddisfacente“, entgegnete Vize-Bürgermeister Fabio Cola die Kritik. Der Neubau des italienischen Schulzentrums, der Neubau der Mittelschule Sterzing sowie die Projektierung zum italienischen Kindergarten seien wichtige Projekte, die man bereits umsetzen bzw. in Angriff nehmen konnte. Die Ausbildung selbst sei nicht alleinige Sache der Gemeinde. Was die Gemeinde für eine gute Ausbildung tun könne, werde man sicher tun, so Cola. Persönlich sei er mit dem programmatischen Dokument sehr zufrieden, da es inhaltlich in vielen Bereichen Bezug auf das Wahlprogramm seiner Partei nehme.
Bürgermeister Volgger dankte abschließend für die Wortmeldungen und lud alle Gemeinderäte zur Mitarbeit ein. Ein Missverständnis zu einer Wortmeldung, in dessen Folge Volgger mit dem Finger auf Frick zeigte - diese hatte bereits die ihr zur Verfügung stehenden drei Wortmeldungen ausgeschöpft - führte dazu, dass sie erbost ob derart beleidigender Geste ihre Sachen packte und den Saal verlies. Die Abstimmung zum programmatischen Dokument, das mehrheitlich genehmigt wurde, fand ohne sie statt, Graus stimmte mit Nein, Untermarzoner (SVP) und Roberto Giordani (Lega) enthielten sich der Stimmen.
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