Das Südtiroler Kinderdorf arbeitet an einem umfassenden Schutzkonzept, an dem Mitarbeiter wie auch Kinder, Jugendliche, Eltern und alleinerziehende Mütter partizipativ teilnehmen.
Am Montag (20. November) wurden die ersten Puzzlesteine des entstehenden Kinderschutzkonzeptes im Südtiroler Kinderdorf in Brixen vorgestellt. Seit einem Jahr setzen sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter intensiv mit der Frage auseinander, wie Gefahren und ein mögliches Risiko im täglichen Miteinander im Kinderdorf minimiert werden können. Die vorgestellten Puzzlesteine in den sechs Farben des Kinderdorfes stehen symbolisch für: Partizipation, Respekt, Grenzen, Schutz, Würde und Hinschauen. „Wir stehen als sozialpädagogische Einrichtung, die sich der Begleitung von Menschen in herausfordernden Lebenslagen widmet, in der Pflicht, uns im direkten Austausch mit den Kindern, Jugendlichen und deren Eltern kritisch mit unserem professionellen Handeln auseinanderzusetzen“, so die Präsidentin des Südtiroler Kinderdorfes Sabina Frei. Direktor Karl Brunner ergänzt: „Dabei ist uns der Schutz der einzelnen ein besonderer Auftrag. Es gilt einerseits gut hinzuschauen und andererseits eine Kultur der Offenheit zu etablieren, damit ein würdevolles Miteinander gelebt werden kann.“
Die Entwicklung des Schutzkonzeptes ist dabei ein Prozess, der über einen längeren Zeitraum gehen wird und der alle miteinschließen will: Kinder wie Jugendliche, Eltern, die alleinerziehenden Mütter in Haus Rainegg und die Mitarbeitenden. Das Ziel: präventive Maßnahmen zu etablieren.
Auch die Kinder- und Jugendanwältin Daniela Höller strich die Bedeutung eines Schutzkonzeptes als wertvolles Instrument hervor: „In einem Kinderschutzkonzept werden Maßnahmen festgelegt, wie man mit möglichen Gefährdungssituationen umgeht, sowie ein niederschwelliges Beschwerdesystem und ein konkreter Handlungsplan mit klaren Abläufen und Zuständigkeiten im Verdachtsfall ausgearbeitet. Damit schützt die Einrichtung sowohl Kinder und Jugendliche, als auch die Mitarbeitenden selbst und signalisiert, dass Kinderschutz essenziell ist und auch umgesetzt wird. Ein Kinderschutzkonzept ist insofern ein Qualitätsmerkmal einer jeden Institution, die mit Kindern und Jugendlichen arbeitet.“
Die Kultur der Achtsamkeit ist für das Südtiroler Kinderdorf tonangebend bei der Entwicklung dieses Schutzkonzeptes. Erst wer die Risiko- und Gefahrenmomente benennen kann und im Auge behält, kann schützen. Das Schutzkonzept dient so auch der Orientierung der Mitarbeitenden. Im deutschsprachigen Ausland seien Schutzkonzepte in Organisationen, in denen Erwachsene mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, bereits an der Tagesordnung, „für Südtirol ist das Kinderdorf eine der ersten sozialpädagogischen Einrichtungen, die ein solches nun ausarbeitet und auch beispielgebend vorangehen möchte“, sagt Direktor Brunner.
In der ersten Phase setzte eine Arbeitsgruppe den entsprechenden Rahmen und setzte eine detaillierte Risikoanalyse in Gang. In den einzelnen Teams im Kinderdorf wurden die Risiken und möglichen Gefahrenmomente in der Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen diskutiert: Gibt es Gefahrenzonen in den Räumlichkeiten? Gibt es Einzelsituationen zwischen Mitarbeitenden und Kindern, etwa im Bereich der Pflege oder Hygieneerziehung, wo es besonderer Achtsamkeit bedarf? Welche grenzverletzenden Situationen gibt es im gelebten Alltag im Kinderdorf, zwischen den Kindern, Jugendlichen und Mitarbeitenden?
Teil dieses Entwicklungsprozesses ist es auch, darauf zu achten, ob es eine Fehlerkultur im Unternehmen gibt und wie sich bestimmte Organisationsabläufe gestalten. „Wir haben natürlich seit langem bereits einzelne Leitfäden, wie wir in einzelnen Situationen reagieren müssen, etwa einen Sexualpädagogikleitfaden, einen Leitfaden zur Krisenintervention, ein klares Aufnahmeverfahren, einen Drogenleitfaden – das sind bereits mehrere Elemente des Schutzes, die wir jetzt als Teil des Schutzkonzepts zusammenfassen“, so Karl Brunner.
In den nächsten Monaten werden die Kinder, Jugendlichen, Eltern und alleinerziehenden Mütter in den Prozess miteingebunden. Dem Südtiroler Kinderdorf ist es ein Anliegen, dieses Schutzkonzept partizipativ zu erarbeiten: Die Sicht aller, die Anliegen der Einzelnen werden Teil des großen Ganzen sein, die Puzzleteile werden weiterwachsen. „Denn nur so“, meint Präsidentin Sabina Frei, „kann das Kinderdorf der sichere Ort sein, an dem Neuanfang und Weiterentwicklung möglich werden.“
Foto © Südtiroler Kinderdorf