Das Jahr 2025 steht nicht nur im Zeichen des Bauernführers Michael Gaismair, dem landauf landab unzählige Veranstaltungen gewidmet sind. Am 8. Mai jährt sich auch zum 80. Mal das Ende des Zweiten Weltkrieges und die Befreiung Europas vom Nationalsozialismus.
Das Jahr 1945 markiert eine doppelte Befreiung: einerseits vom sechs Jahre dauernden Zweiten Weltkrieg, andererseits vom Nationalsozialismus. Durch die vollständige Kapitulation der Deutschen Wehrmacht am 8. Mai 1945 endete in Europa offiziell der Krieg, der unvorstellbare 60 Millionen Opfer gekostet hatte. In den Konzentrationslagern der Nazis wurden sechs Millionen Juden zu Tode gebracht. Ein Genozid, wie ihn die Welt vorher niemals erleben musste. Die hauptverantwortlichen Nazi-Bonzen entzogen sich durch Selbstmord ihrer Verantwortung, wurden im Zuge der Nürnberger Kriegsverbrecherprozesse hingerichtet bzw. zu langjährigen Haftstrafen verurteilt oder entzogen sich durch Flucht – viele über die über den Brenner führende „Rattenlinie“ nach Südamerika – ihrer Strafe. Vielen maßbeglichen Nationalsozialisten war es aber auch möglich, nach dem Zweiten Weltkrieg in Deutschland unbehelligt weiterzuleben und dort auch wieder in führende Positionen aufzusteigen.
Im Herbst 1943 kommt es zu ersten Luftangriffen auf die Operationszone Alpenvorland und den Gau Tirol-Vorarlberg. Trient, Bozen, Feldkirch und Innsbruck sind die Hauptziele der
schweren Bomber der 15th United States Army Air Forces bis Jahresende 1943. Nach einer eher ruhigen Phase beginnt Anfang November 1944 die so genannte „Brennerschlacht“, das konzentrierte Angriffsprogramm auf die Brennerbahnlinie. Die Amerikaner verfolgen mit der „Battle of the Brenner“ das Ziel, die gesamte Eisenbahnstrecke zwischen Verona und München zu zerschlagen. Die Bombardierungen dauern bis Ende April 1945 an.
Beginnend mit dem Abschnitt zwischen Verona und Trient werden im Laufe des Winters die Angriffe immer weiter nach Norden vorangetrieben. Im März und April 1945 werden die Bombardierungen entlang der Brennerbahnlinie intensiviert. Schlussendlich wird im Frühjahr 1945 die gesamte Strecke bis nach Brixlegg im Inntal bombardiert.
Im südlichen Wipptal waren neben dem Brenner auch Außerpflersch (Eisenbahnkehre), Gossensaß, die Eisenbahnbrücke und der Verschiebebahnhof Freienfeld beim Sprechenstein-Kofel, die Eisenbahnbrücke bei Stilfes und die Bahnhöfe von Grasstein und Franzensfeste Ziel pausenloser Angriffe. Am 21. März wurde etwa der Bahnhof Brenner bei einem Luftangriff beinahe vollständig zerstört. 25 Menschen mussten ihr Leben lassen. Am 20. April 1945 ist es zum schwersten und zugleich letzten Bombenangriff im südlichen Wipptal gekommen. Mit 71 Bombern wurde Franzensfeste angegriffen. Sieben Menschen starben, das Ortszentrum wurde stark verwüstet.
Im Nordtiroler Wipptal waren vor allem die Bahnhöfe von Matrei und Steinach am Brenner Ziele von Angriffen. Auch dort fanden zahlreiche Menschen den Tod.
Ab dem 1. Mai wurde der amerikanische Vormarsch in Nord- und Südtirol ohne Luftunterstützung fortgesetzt.In den ersten Mai-Tagen wurde Innsbruck von den Amerikanern besetzt. Am 3. und 4. Mai 1945 drangen die Amerikaner schließlich von Innsbruck kommend Richtung Brenner und dann weiter nach Süden vor. In Sterzing trafen sie am 4. Mai auf die von Süden vorrückenden amerikanischen Truppen der 5. US-Armee. Südtirol war nach 23 Jahren von faschistischer und zuletzt nationalsozialistischer Diktatur befreit.
80 Jahre danach gerät die Erinnerung an die Schrecken jener Zeit zunehmend unter Druck. Es steht schlecht um das Wissen über die Vergangenheit, die nicht so weit zurückliegt. Europaweit erlebt die Politik einen extremen Ruck nach Rechtsaußen, unberechenbare Autokraten beherrschen die Weltpolitik. Was haben 80 Jahre Erinnerungskultur mit uns gemacht? Was haben wir daraus gelernt?
Im Bild der Verschiebebahnhof Sprechenstein.
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