In einem wasserreichen Gebiet wie „Valle dei Laghi“ im Trentino konkurrieren verschiedene Sektoren um die Ressource Wasser. So versorgt beispielsweise das Wasserkraftwerk Santa Massenza einen Großteil der Provinz mit Energie. Zugleich gehört die Landwirtschaft zu den größten Wasserverbrauchern. Klimawandel und wiederkehrende Trockenperioden verschärfen die Spannungen zwischen Energie- und Agrarsektor. Wie lässt sich Wasser gerecht und effizient verteilen, wenn es knapp wird? Eine neue Online-Plattform verschafft erstmals einen Überblick über die verfügbaren Wasserressourcen, erzeugt mögliche Zukunftsszenarien und unterstützt damit ein integriertes, vorausschauendes Management der Wasserressourcen. Entwickelt wurde die Anwendung im Rahmen des EU-Horizon-2020-Projekts IMPETUS, das innovative Lösungen zur Klimaanpassung vorantreibt.
„In der Provinz Trient spielen der Fluss Sarca und seine Zuflüsse im Tal ‚Valle dei Laghi‘ eine zentrale Rolle, sowohl für die Energieversorgung als auch für die Landwirtschaft“, erklärt Valentina D’Alonzo, Forscherin von Eurac Research und Verantwortliche für die Trentiner Fallstudie im europäischen IMPETUS-Projekt. Besonders wichtig ist das Wasser für den Weinbau, den bedeutendsten landwirtschaftlichen Sektor des Tals. „Die klimatischen Veränderungen und die damit verbundenen Trockenjahre haben das fragile Gleichgewicht ins Wanken gebracht und gefährden sowohl die Energiegewinnung aus der Wasserkraft als auch die landwirtschaftliche Bewässerung.“
Im Jahr 2023 beispielsweise führten extreme Wetterbedingungen – ein heißer Sommer, Hagel und daraus folgende Pilzkrankheiten – zu einem Rückgang der italienischen Weinproduktion um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. „Das extreme Wetter verursacht Stress für die Pflanzen“, berichtet der Winzer Stefano Pisoni, dessen Weingut Teil des Forschungsprojekts war. „In den vergangenen Jahren ist das besonders deutlich geworden. Viele Krankheiten, vor allem durch Pilze bedingt, treten deutlich aggressiver auf.“
Während Italien 2023 seinen Status als weltweit größter Weinproduzent einbüßte, machten sich in Norditalien zugleich die Folgen mehrjähriger Trockenperioden bemerkbar: Zwischen 2020 und 2023 brach auch die Produktion der Wasserkraftwerke um rund 30 Prozent ein. Besonders spürbar ist dies für die Bewässerungskonsortien – Zusammenschlüsse von Landwirtinnen und Landwirte, die die Wasserverteilung koordinieren und damit häufig als erste klimabedingte Nutzungskonflikte abfedern müssen. „Weil unser Wasser aus einem Wasserkraftsystem stammt, setzen wir bereits seit über zwanzig Jahren auf Tropfbewässerung“, erklärt Bruno Lutterotti, Leiter des Bewässerungskonsortiums Alto Garda im Valle dei Laghi. „Dieses System hat sich lange bewährt, doch durch die immer extremeren Auswirkungen des Klimawandels geraten wir jetzt an unsere Grenzen.“ Die jüngsten Wasserkrisen veranlassten das Konsortium dazu, nach einem besseren Modell zu suchen, um künftig auf solche Situationen reagieren zu können.
Im Projekt wurde ein digitaler Zwilling des Tales Valle dei Laghi entwickelt – ein hydrologisches Modell, das die Wege des Wassers im Gebiet simuliert. Es basiert auf meteorologischen Daten wie Temperatur, Niederschlag und dem Wasserverlust durch Verdunstung und Pflanzenatmung (Evapotranspiration). So werden zentrale Prozesse sichtbar, von der Schneeschmelze über die Versickerung im Boden bis hin zur gesamten Wasserbilanz. Auf dieser Grundlage entstand die neue Online-Plattform.
„Wer die Anwendung nutzt, kann nachvollziehen, wie viel Wasser in den vergangenen Monaten verfügbar war und wofür es genutzt wurde. Gleichzeitig erzeugt ein integriertes Simulationssystem mögliche Zukunftsszenarien“, erläutert Aaron Estrada, Forscher von Eurac Research und Entwickler der Plattform. Diese Szenarien berücksichtigen sowohl meteorologische Entwicklungen als auch technische Faktoren wie die Einstellungen von Kraftwerken oder Wasserumleitungen. „Ein eigener Bereich zeigt schließlich, wie sich die Lage entwickeln könnte, wenn keine Maßnahmen ergriffen werden.“
„Die Plattform bietet allen, die über die Wassernutzung entscheiden – etwa Bewässerungskonsortien oder öffentlichen Verwaltungen auf unterschiedlichen Ebenen – einen umfassenden Überblick über die aktuelle Lage“, erklärt Valentina D’Alonzo. „Sie hilft, die Folgen möglicher Entscheidungen im Voraus abzuschätzen und geeignete Maßnahmen zu planen, um Risiken frühzeitig zu erkennen oder abzuschwächen.“ Sie resümiert: „Ein solches System könnte auch in anderen Regionen erfolgreich eingesetzt werden – beispielsweise in anderen Alpentälern oder europäischen Berggebieten, in denen potenzielle Nutzungskonflikte durch zunehmende Trockenheit verschärft werden.“
Die Anwendung ist nach einer Registrierung frei zugänglich (https://climate-impetus.eurac.edu).
Foto © Eurac Research