Gesellschaft
Sterzing: Filmvorführung mit Vertiefungsgespräch
11.12.2025
Am Freitag (12. Dezember) ist im Stadttheater in Sterzing der Dokumentarfilm „Despite the Scars“ (zu deutsch: Auch wenn Narben bleiben) zu sehen. Auch Hauptdarstellerin Thea Malfertheiner und Regisseur Felix Rier werden persönlich anwesend sein.
2020 wird Thea Malfertheiner in Berlin von mehreren Jugendlichen brutal vergewaltigt. Sie versucht, ihr emotionales und körperliches Trauma zu heilen – und wendet sich dem Tanz zu. Durch Choreografie stellt sie sich dem Schmerz, Schritt für Schritt, und verwandelt ihre Verletzlichkeit in eine leise, aber kraftvolle Form von Mut. Mit der Unterstützung ihres Partners Thiago Ferreira und der bedingungslosen Zuneigung ihres Hundes Mandinga schafft sie einen sicheren Raum, um ihr Leben Stück für Stück wieder zusammenzufügen. Die Geburt ihres Sohnes verändert ihr Verhältnis zu ihrem Körper und zum Leben erneut auf die Probe und sie fragt sich, ob Heilung jemals möglich sein kann. Jugendfreund Felix Rier begleitet die Protagonistin vier Jahre lang mit seiner Kamera. Er verwebt seinen Blick mit ihren intimen Videotagebüchern und schafft so eine Erzählung von tiefer Menschlichkeit und emotionaler Wahrheit.
„Despite the Scars“, eine Produktion von Helios Sustainable Films, debütierte im Juni 2025 auf dem Biografilm Festival in Bologna und erhielt den Preis Arci Ucca „L’Italia che non si vede“ sowie die bedeutende Anerkennung Hera „Neue Talente“.
Der Film beginnt um 20.00 Uhr. Tickets können 30 Minuten vor Beginn an der Abendkasse gekauft werden. Gegen 21.15 Uhr führen Thea Malfertheiner und Felix Rier ein Vertiefungsgespräch und gehen auf Fragen und Anmerkungen aus dem Publikum ein.
„Dieser Film öffnet einen Raum“
3 Fragen an den Regisseur Felix Rier
Erker: Herr Rier, der Film trägt den Titel „Auch wenn Narben bleiben.“ Wie endet der Satz?
Felix Rier: Auch wenn Narben bleiben und die Erinnerungen schmerzhaft sind, möchte ich dir sagen, dass du nicht allein bist.
Unglaublich mutig von Thea, ihre Geschichte zu erzählen. Und unglaublich mutig von Ihnen, sie mit der Kamera festzuhalten. Was hat sich für Sie beide durch diesen Film verändert?
Ich glaube, dieser Film hat uns beide auf sehr unterschiedliche, aber tiefgreifende Weise bewegt. Für Thea war es ein Weg, ihre Geschichte selbst zu erzählen, in ihrer eigenen Sprache, mit ihrem eigenen Körper. Diese Entscheidung, sich zu zeigen, mit all ihrer Verletzlichkeit und Kraft, war ein radikaler Akt der Selbstbestimmung. Und ich glaube, sie hat durch diesen Prozess auch ein neues Gefühl von Handlungsfähigkeit gewonnen – nicht, weil der Schmerz verschwunden ist, sondern weil sie ihn verwandelt hat. Für mich war der Film eine tiefe Auseinandersetzung mit Verantwortung. Als Filmemacher, als Freund – aber auch als Mann in einer von patriarchaler Gewalt geprägten Welt. Ich habe sehr viel gelernt: über Zuhören, über das Aushalten von Stille, über das gemeinsame Gehen eines Weges, ohne ihn zu dirigieren. Der Film hat meine Haltung verändert. Und mein Verständnis davon, was es heißt, solidarisch zu sein.
Warum ist es wichtig, dass sich möglichst viele Menschen diesen Film ansehen?
Weil der Film einen Raum öffnet, in dem über Gewalt, Trauma und Heilung gesprochen werden kann – ohne Schuldzuweisungen, aber mit Tiefe und Menschlichkeit. Er richtet sich nicht nur an Betroffene, sondern auch an Menschen, die vielleicht noch nie mit dem Thema in Berührung gekommen sind. Und vor allem an jene, die bereit sind, zuzuhören. Sexualisierte Gewalt betrifft nicht nur Einzelne – sie betrifft uns als Gesellschaft. Und wenn wir anfangen, genauer hinzuschauen, komplexer zu denken und empathischer miteinander zu sprechen, dann ist das ein Anfang. Der Film kann dafür ein Impuls sein. Nicht als fertige Antwort, sondern als Einladung zum Gespräch.
(rb)