Gesundheit
Vorübergehend keine Operationen im Krankenhaus Sterzing
29.03.2020
Im Krankenhaus Bozen kommen vier Beatmungsgeräte der Anästhesie des Krankenhauses Sterzing zum Einsatz. In Sterzing werden vorübergehend keine Operationen mehr durchgeführt. Notfallpatienten werden weiterhin versorgt und – falls notwendig – ins Krankenhaus nach Brixen oder Bozen verlegt.
Die Lage in Südtirol bleibt angespannt: Die Zahl der Covid-Patienten, die intensivmedizinisch betreut und beatmet werden müssen, nimmt weiter zu. 51 Patienten liegen derzeit auf den Intensivstationen und benötigen eine aufwändige und zeitintensive Versorgung. Noch kann für jeden beatmungspflichtigen Patient ein Beatmungsplatz garantiert werden. Die Frage ist wie lange noch. Bricht die Welle nicht in den nächsten Tagen, werden die derzeitigen Kapazitäten schnell erschöpft sein.
Viele Vorkehrungen sind in vergangenen Wochen getroffen worden. Alle Krankenhäuser in Südtirol haben ihre Intensivbetten auf 71 aufgestockt und damit mehr als verdoppelt. Ein weiterer Bettenausbau wird zunehmend schwierig. In den vergangenen Tagen ist der neue postoperative Aufwach-Intensiv-Trakt des Krankenhauses Bozen mit unglaublichen Anstrengungen vorbereitet worden und mit entsprechenden Geräten und Betten ausgestattet worden. Damit konnten ab gestern weitere acht Intensivplätze bereitgestellt werden. Man ist bestrebt, alle 19 Intensivbetten - das wäre die maximale Kapazität in dieser neuen Struktur - so schnell wie möglich zu aktivieren. Doch mangelt es genau dort an Beatmungsgeräten, um Patienten diese überlebenswichtige Beatmungstherapie anbieten zu können. Die Auslieferung der Geräte, vor Wochen bestellt, verzögert sich unter Umständen. Deshalb werden Zwischenlösungen gesucht, um jeden Patient angemessen behandeln zu können und trotzdem Kapazitäten frei halten zu können: Insgesamt sechs intensivpflichtige Covid-Patienten aus Südtirol werden derzeit auf Intensivstationen in Nordtirol und drei in Vorarlberg behandelt. Weitere Beatmungsgeräte wurden u. a. auch aus dem asiatischen Raum angekauft, zwei davon sind eingetroffen, fünf weitere sind aus dem italienischen Raum geliefert worden.
Beatmungsgeräte von Sterzing, Innichen und Bruneck nach Bozen geliefert
Um weitere Beatmungsplätze zu schaffen, wurden nun Beatmungsgeräte aus den Krankenhäusern Sterzing, Innichen und Bruneck in das Krankenhaus von Bozen geliefert, wo sie momentan dringend für Covid-Patienten gebraucht werden. Vier Beatmungsgeräte der Abteilung für Anästhesie am Krankenhaus Sterzing sind derzeit in Bozen im Einsatz. Laut dem stellvertretendem medizinischen Einsatzleiter Dr. Patrick Franzoni sei diese vorübergehende Maßnahme notwendig geworden. „Es ist wichtig, dass Personal, Material, Monitore und Beatmungsgeräte für die Beatmung von intensiv- und beatmungspflichten Patienten zur Verfügung stehen“, so Franzoni auf Mitte dieser Woche auf einer Pressekonferenz.
„Landeshauptmann, Generaldirektor und Department-Leiter haben dem Krankenhaus ihr Wort gegeben, dass die Beatmungsgeräte wieder nach Sterzing zurückgebracht werden, sobald der medizinische Engpass behoben ist“, so Dr.in Rita Haller, Koordinatorin der Notärzte am Krankenhaus Sterzing und derzeitige Stabsleiterin des Krisenstabs am Krankenhaus Sterzing. Nachdem bereits mehrere Langzeit-Beatmungsgeräte eingetroffen sind, könnte dies bereits Mitte nächster oder übernächster Woche der Fall sein. Die Beatmungsgeräte, eigentlich für chirurgische Operationen vorgesehen, sind keine geeigneten Langzeit-Beatmungsgeräte. Sie dienen lediglich zur Überbrückung bis die bestellten Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen.
„Keine Beatmungsgeräte = keine Operationen mehr im Krankenhaus Sterzing“
Die Maßnahme, wenn auch nur vorübergehend, hat beim Landtagsabgeordneten und langjährigen Primar der Anästhesie und Intensivmedizin und ärztlichen Leiter des Krankenhauses Sterzing Dr. Franz Ploner (Team K) Verwunderung ausgelöst. „Keine Beatmungsgeräte mehr im OP-Saal, da diese vorab nach Bozen verlegt werden mussten, bedeutet, dass im Krankenhaus Sterzing auch keine Notfälle oder dringliche Operationen mehr operiert werden können", so Dr. Ploner. Darunter leide, wenn auch nur vorübergehend, die lokale Grundversorgung der Bevölkerung. „Welche Auswirkungen dies – sollte diese Einschränkung länger andauern – mittel- und langfristig auf die Abteilung Chirurgie/Orthopädie, Anästhesie und das gesamte Krankenhaus haben wird kann heute niemand abschätzen", so Ploner. Seiner Meinung nach hätten primär auch Alternativen diskutiert werden sollen, bevor so weitreichende Entscheidungen und Eingriffe im Krankenhausbetrieb getroffen werden, die letztendlich eine ganze Abteilung still legen. Im Krankenhaus Sterzing sollte neben der Betreuung von Covid-19-Patienten – ähnlich wie im Krankenhaus Schlanders – zumindest die chirurgisch-orthopädische Notfallversorgung aufrecht bleiben.
Notfälle werden weiterhin betreut
Das Krankenhaus Sterzing hat nicht alle Beatmungsgeräte abgegeben. „Notfälle können weiterhin mit Beatmungsgeräten versorgt werden“, so Dr.in Rita Haller. Freie Kapazitäten gebe es im Schockraum, CT und auch im Operationssaal. Der Wipptaler Bürger brauche sich um seine derzeitige Notfallversorgung keine Sorgen zu machen. Sollte ein dringender Eingriff notwendig sein, werde dieser derzeit am Krankenhaus Brixen oder Bozen durchgeführt. Dies sei bereits vorab mit den chirurgischen und orthopädischen Kollegen in den dortigen Krankenhäusern vereinbart worden. Zudem werden in allen anderen Krankenhäusern, auch am Krankenhaus von Bozen, derzeit nur absolute Notfälle operativ versorgt. Elektive, d.h. geplante Eingriffe, werden auch dort derzeit keine gemacht.
Der chirurgische, orthopädische und gynäkologische Bereitschaftsdienst bleibt weiterhin aufrecht, sodass Notfälle visitiert und triagiert werden können und bei Bedarf schnellstmöglich in das nächstgelegene Krankenhaus verlegt werden können.
Zudem, so Dr.in Rita Haller, bleibe die chirurgische Station weiterhin aktiv: Wer etwa mit einer Gehirnerschütterung oder einer Schnittwundverletzung nicht am selben Tag wieder nach Hause geschickt werden kann, wird weiterhin auf der chirurgischen Abteilung versorgt und überwacht.
„Im Notfall kann der Patient im Krankenhaus Sterzing problemlos beatmet werden und – falls notwendig – nach Brixen oder Bozen verlegt werden“, so Dr. Marc Kaufmann, Medizinischer Einsatzleiter und Primar der Notfallmedizin. „Für große und wichtige Notfalloperationen werden im Krankenhaus Bozen Kapazitäten frei gehalten, um alle Notfälle des Landes operativ versorgen zu können.“
(rb)