Viele Wipptaler hat es ins Ausland verschlagen. Wie sie in ihrer neuen Heimat die Coronakrise erlebt haben, welche Auswirkungen diese auf ihr Berufs- und Privatleben hatte, wollten wir in unserer Erker-Umfrage wissen. Heute haben wir nachgefragt bei Carolin Ralser in Singapur.
Seit 2018 lebe und arbeite ich als Musikerin und Pädagogin in Singapur. Neben meiner Konzerttätigkeit unterrichte ich an der Singapore School of the Arts und am Yong Siew Toh Konservatorium der National University Singapore. Außerdem schreibe ich gerade an meiner Dissertation und forsche im Bereich Performance, Kreativität und Neue Musik.
Der Stadtstaat Singapur war nach China eines der ersten Länder, welches von Covid-19 betroffen war. Als größter Dreh- und Angelpunkt Südostasiens mit einem der größten Flughäfen und dem zweitgrößten Schiffshafen der Welt war es nur eine Zeitfrage, bis sich das Virus Ende Januar auch hier auszubreiten begann. Die Singapurer Regierung und Bevölkerung waren jedoch, auch aufgrund der während der SARS-Krise gesammelten Erfahrungen, nicht nur vorbereitet, sondern reagierten auch unglaublich schnell und durchdacht. Kaum ein anderes Land war so effizient beim Identifizieren von Clustern, Contact Tracing und Testen. Trotz der relativ hohen Anzahl an Infektionen bei etwa 5,7 Millionen Einwohnern (ca. 44.000) gibt es nach 5 Monaten Epidemie 26 Todesfälle, also eine Sterblichkeitsrate von unter 0,1 % - dank eines der weltbesten Gesundheitssysteme, sowie einer Gesellschaft, die nicht nur sehr diszipliniert ist, sondern auch ein starkes Gefühl der sozialen Verantwortung besitzt. So war die Umsetzung vieler neuer Vorschriften wenig problembehaftet. Sogar Singapurs Dreijährige tragen im Kindergarten eine Maske und halten Abstand, so gut es geht.
Leider konnte sich das Virus, trotz aller Maßnahmen, in den riesigen Arbeiterwohnheimen ausbreiten, wo viele Menschen auf engem Raum zusammenleben. Deshalb kam es Anfang April zu einem zweimonatigen „Circuit Breaker“, einem Lockdown auf Singapurer Art, den ich im home office verbringen durfte, während die Sommerferien kurzerhand von Juni auf Mai vorverlegt wurden: für mich vor allem ein Moment des Durchatmens, da der Leistungsdruck sehr hoch ist, die Arbeit anspruchsvoll und die Tage sehr, sehr lang.
Seit Anfang Juni kommen wir wieder schrittweise zur Normalität zurück, ohne Schutzmaske würde man sich jedoch hier nicht vor die Tür trauen, vor allem, um Risikogruppen nicht zu gefährden und den drohenden Konsequenzen zu entgehen. Singapur ist für seine hohen Strafmaße bekannt. Wer sich als Ausländer nicht an die Regeln hält, dem kann schnell die Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis entzogen werden.
Reisen wird wohl noch länger nicht möglich sein und ich vermisse meine Familie und die Berge sehr! Auf unbestimmte Zeit in Singapur zu bleiben ist aber ein sehr bescheidener Preis, den ich zahlen muss, im Vergleich zu vielen meiner Musikerkollegen, welche hart darum kämpfen müssen, wieder auftreten zu dürfen. Ich hoffe, dass sich die Kulturszene bald wieder erholt!
Bis dahin wünsche ich allen in der Heimat Gesundheit und Ausdauer in der Hoffnung, dass wir das Ärgste überstanden haben!