Politik
Gemeinderat Pfitsch: Abstimmungsergebnis sorgt für Diskussionen
03.12.2020
Am 18. November traf sich der Gemeinderat von Pfitsch per Videokonferenz zur Gemeinderatssitzung, die drei Stunden lang dauern sollte. Hauptdiskussionspunkt war die Neubesetzung der Gremien – und das Abstimmungsverhalten der Bürgerliste.
Die ersten Tagesordnungspunkte waren zügig abgehakt. In der GIS-Verordnung schaffte der Gemeinderat eine steuerrechtliche Ungleichbehandlung zwischen italienischen Bürgern, die ihren Wohnsitz für mehr als zwölf Monate ins Ausland verlegt haben und anderen EU-Bürgern ab. Im Dienstleistungsvertrag mit der SEDAG legte er einen Fixbetrag von drei Euro für jede durchzuführende Zwangseintreibung fest. Auch passte er die Vergütung des Rechnungsrevisors an. Laut Dekret des Präsidenten der Region (25.09.2020) steht dem Rechnungsprüfer in Gemeinden von 3.001 bis 5.000 Einwohnern ein jährlicher Mindestbetrag von 6.609,60 Euro statt 6.000 Euro zu.
Auch als Bürgermeister Stefan Gufler die Leitlinien zur Gestaltung der Gemeindepolitik und die Entwicklung der Gemeinde vorstellte, deutete wenig auf eine kippende Stimmung hin. Neben geplanten Vorhaben in den Bereichen Infrastrukturen, Raumordnung, Öffentliche Sicherheit, Verkehrswesen, Kultur, Bildung- und Sozialbereich beinhaltet das Dokument den Hinweis, dass der Gemeinderat bei wesentlichen Vorhaben und grundsätzlichen Entscheidungen im Vorfeld informiert werden soll. Um die Entscheidungsfindung auf eine breitere Basis zu stellen werden geeignete Plattformen definiert. Neue Themen können jederzeit eingebracht werden, weshalb sich das Dokument kontinuierlich weiterentwickle, so Gufler. Das Dokument wurde mit acht Jastimmen der SVP und sieben Enthaltungen der Bürgerliste „Gemeinsam für Wiesen Pfitsch“ genehmigt.
Von da an zog sich das Abstimmungsergebnis „Acht Ja, sieben Enthaltungen“ durch weitere Tagesordnungspunkte, etwa beim Haushaltsvoranschlag, bei dem rund 45.600 Euro aufgestockt werden mussten, u. a. für die Erneuerung der Brücke Fußendrass, die Quellfassung und das Speicherbecken Schnagge, die Sanierung der Wertstoffsammelstelle Wiesen und das italienische Schulzentrum Sterzing. Hinzu kam die Umsetzung des Entwicklungskonzeptes für das Pfitschtal (31.600 Euro).
Drei Tagesordnungspunkte vertagt
Insbesondere die Besetzung der Gremien führte zu Unstimmigkeiten. Weder der Beirat des Landeskindergartens Kematen (vorgeschlagene SVP-Vertreterin: Vizebürgermeisterin Maria Rabensteiner Leitner) noch der Vertreter im Jugenddienst (SVP-Rat Michael Tschöll) konnten bestellt werden, da sich sowohl die sieben Räte der Bürgerliste als auch die vorgeschlagenen SVP-Kandidaten der Stimme enthielten. Am Ende mussten beide Tagesordnungspunkte vertagt werden, da keine Mehrheit erzielt wurde. „Ich bin sehr enttäuscht", so Maria Rabensteiner Leitner auf Nachfrage des Erker. „Die Kränkung der Bürgerliste kann ich nachvollziehen. Sich jetzt aber aus einer Trotzhaltung heraus quer zu stellen ist nicht im Sinne der Wähler." Unverständnis auch bei Bürgermeister Stefan Gufler: „Die Vertretung im Kindergartenbeirat wurde seit jeher von der zuständigen Gemeindereferentin wahrgenommen, da es darum geht, in engem Kontakt mit den Kindergärten zu bleiben und deren Anliegen und Wünsche bearbeiten zu können. Dass dann, ohne Alternativvorschläge einzubringen, bei der Abstimmung die Besetzung durch die Bürgerliste zu Fall gebracht wird, da man sich ausgerechnet hatte, dass sich die zu wählende Person wohl enthalten würde, ist ein hinterlistige und miese Aktion“, so Gufler. Dasselbe Verhalten bei der Entsendung eines Vertreters in den Jugenddienst. „Klingt nach schlechten Verlierern“, so Michael Tschöll. „Dass sich die Vorgeschlagenen enthalten ist bei uns so üblich. Dass die Bürgerliste offensichtlich lieber gar niemanden entsendet als Maria und mich ist schade, sie hatten nicht einmal jemanden aus den eigenen Reihen nominiert.“
Gerade an Vorschlägen scheiterte auch der Versuch, einen Vertreter der Gemeinde im Bildungsausschuss Wiesen zu ernennen. Die Bürgerliste schlug Lucia Russo vor, die SVP Referentin Dagmar Matzler Freund. Da niemand vom eingebrachten Vorschlag abrückte, musste auch dieser Tagesordnungspunkt vertagt werden.
Die Haltung der Bürgerliste
Claudia Raffl, Gemeinderätin der Bürgerliste, stellt klar: „Es ging bei unseren Enthaltungen nie um die Person an sich.“ Maria Rabensteiner habe in den vergangenen Jahren gut mit dem Kindergarten zusammengearbeitet und Michael Tschöll würde als jüngster Gemeinderat seine Aufgabe im Jugenddienst sicher gut machen. Vielmehr geht es der Bürgerliste um ihre Haltung als Opposition. „Bei der Besetzung des Gemeindeausschusses hat sich die SVP ohne mit der Wimper zu zucken gegen uns entschieden. Das war vermutlich auch keine Entscheidung gegen eine Person, sondern eine Entscheidung als politische Partei.“ Eine Entscheidung, bei der die Bürgerliste nicht klein beigeben und schon zu Beginn dieser Amtszeit ein Zeichen setzen will: Bei Tagesordnungspunkten zugunsten der Bürger wie die Abänderung der Bauverordnung wird die Bürgerliste weiterhin dafür stimmen. Geht es um den Bürgermeister, den Ausschuss, Haushaltsänderungen und ähnliches, wird sie sich enthalten oder dagegen stimmen. „Bei der Zusammensetzung des Ausschusses hat uns die SVP nicht gebraucht und kann so auch weitere Punkte ohne uns regeln“, so Raffl. Die vertagten Punkte könne die SVP bereits bei der nächsten Sitzung mit ihrer Mehrheit genehmigen. Die Bürgerliste aber könne auf den Ausschuss die nächsten fünf Jahre nicht einwirken. „Im Moment haben wir noch keinen Konsens in Bezug auf das Thema Zusammenarbeit gefunden. Folglich bleiben wir als Gruppe geschlossen und schließen uns bei den Abstimmungen nicht an. Wie und ob sich dies auch in eine andere Richtung verändern kann, wird sich zeigen.“
Die Haltung der SVP
Diese Grundsatzhaltung stößt bei Bürgermeister Stefan Gufler auf Unverständnis. Die Bürgerliste predige Bereitschaft zur Zusammenarbeit, mache aber alles an der Besetzung des Ausschusses fest, die nun mal Aufgabe des Bürgermeisters sei, so Gufler. Keinesfalls sei „ohne mit der Wimper zu zucken" gegen sie entschieden worden. Die angebotenen Gespräche im Frühjahr hinsichtlich Gemeinderatswahlen wurden abgelehnt, mit der unmissverständlichen Antwort, den Weg alleine gehen zu wollen. Nach den Wahlen medial die Anzahl der zu bekommenden Sitze einzufordern, ohne zunächst das Gespräch zu suchen, zeuge auch nicht von großem Sinn einer konstruktiven Zusammenarbeit. Auf jeden Fall habe er nach Abwägung verschiedenster Aspekte einen Ausschussvorschlag präsentiert. „Auch in anderen Gemeinden werden Ausschüsse gebildet, ohne die SVP miteinzubeziehen. Deshalb ist es absolut nicht angebracht, mit dem Finger auf uns zu zeigen und durch gezielte Abstimmungstaktik die Arbeit der Gemeindeverwaltung zu erschweren, wenn nicht zu behindern“, so Gufler. Fragwürdig erscheint ihm die Haltung, bei Punkten, die die Bürger betreffen, mitzustimmen und bei Punkten, die Bürgermeister, Ausschuss und ähnliches betreffen, auf Konfrontation zu gehen. Diene ein Programmatisches Dokument denn nicht dem Wohle der Bevölkerung? Das Dokument sei von Mitgliedern der Bürgerliste gelobt worden, es habe nur wenige Fragen gegeben, auch keine Punkte, die die Bürgerliste hinzuzunehmen wünschte. Auch bei der Haushaltsänderung habe es sich um begründete Kosten gehandelt, die für die Umsetzung von Projekten notwendig seien. Seien diese etwa nicht zugunsten der Bürger? Zwischen Bürgermeister und Bürgerliste habe eine Vorbesprechung der Gemeinderatssitzung stattgefunden, die Bildung von Arbeitsgruppen und Thementischen wurde ins Programmatische Dokument aufgenommen, es wurde angekündigt, neue Themen laufend aufzugreifen und gemeinsam zu bearbeiten, die von der Bürgerliste vorgeschlagene Vertretung für den Bibliotheksrat wurde durch die Stimmen der SVP gewählt. Die SVP zeige sehr wohl Bereitschaft zur Zusammenarbeit, die Bürgerliste aber tue alles dafür, um eine solche zu erschweren.
Mitarbeit auf Bezirksebene?
Die Bürgerliste ist nicht der Ansicht, dass sie die Arbeit der Gemeindeverwaltung blockiert oder gar verhindert. „Wir werden immer für das Wohl der Bürger stimmen und auch jedes Mal von Fall zu Fall entscheiden. Wir möchten aber auch eine aktive Zusammenarbeit, die bis zur Gemeinderatssitzung nicht zustande gekommen ist“, so Lucia Russo. „Beiräte sowie weitere Punkte können auch ohne unsere Zustimmung bestellt werden, da die SVP über die Mehrheit verfügt. So, ohne unsere Zusprache, mit ihren alleinigen Stimmen, haben sie schließlich auch den Ausschuss bestellt“, so Claudia Raffl. Wie lange die Bürgerliste an ihrer angekündigten Haltung festhalten wird, lässt sie offen: „Der Bürgermeister hat bei der ersten Aussprache vor der ersten Sitzung erklärt, es gäbe verschiedene Möglichkeiten und Gremien zur Mitbestimmung und Mitarbeit. Bislang waren die Vorschläge an die jeweiligen Assessorate geknüpft gewesen. Wir sind gespannt, wo wir aktiv mitbestimmen und mitarbeiten können. Vielleicht auf Bezirksebene?“
Die Zeit läuft ...
Mit Spannung wird nun die nächste Gemeinderatsitzung im Dezember erwartet. Wird die Ernennung für einen Vertreter im Landeskindergarten Kematen, im Jugenddienst und im Bildungsausschuss erneut vertagt oder kann eine einvernehmliche Lösung gefunden werden? Bereits im Jänner findet die erste Sitzung des Kindergartenbeirates von Kematen statt. Wird im Dezember kein Gemeindevertreter namhaft gemacht ist die Gemeinde im Beirat zum ersten Mal nicht mehr vertreten. Nicht ausgeschlossen, dass es dazu kommt. Maria Rabensteiner Leitner wird sich ihrer Stimme enthalten, so wie sie es immer getan hat, wenn über ihre Person abgestimmt wird - auch wenn sie durch ihre Jastimme ins Gremium gewählt wäre: „Das ist keine Kampfabstimmung. Es geht nicht darum, die Opposition niederzustimmen. Ich möchte, dass ein Vertreter namhaft gemacht wird, der diese verantwortungsvolle Aufgabe gerne übernimmt und die Mehrheit hinter sich hat.“
Ernannte Gremien-Vertreter
Folgende Vertreter konnten bei der Gemeinderatsitzung namhaft gemacht werden:
• Bibliotheksrat: Claudia Raffl (14 Ja, eine Enthaltung)
• Gemeindewahlkommission: Vorsitzender Stefan Gufler, Philipp Obermüller, Monika Reinthaler, Birgit Seehauser. Ersatzmitglieder: Harald Hofer, Maria Rabensteiner Leitner, Claudia Raffl (13 Ja, 1 Enthaltung).
• Konsortium Wassereinzugsgebiet Etsch: Stefan Gufler, Ersatz: Maria Rabensteiner Leitner (acht Ja, sieben Enthaltungen)
• Gemeindekommission zur Erstellung der Laienrichterverzeichnisse: Vorsitzender Stefan Gufler, Birigt Seehauser und Michael Tschöll (einstimmig).
Weitere Beschlüsse
Auf der Gemeinderatsitzung wurden weitere Beschlüsse gefasst - mit einstimmigem Abstimmungsergebnis: Ab 1. Jänner 2021 wird das Sitzungsgeld für Mitglieder von Gemeindebaukommission und Lawinenkommission von 25 auf 30 Euro erhöht. Der Entwurf des Dienstleistungsvertrages mit der Neuen Rosskopf GmbH ist für weitere fünf Jahre genehmigt. Er bietet u. a. vergünstigte Tarife für Saisonkarten der in Pfitsch ansässigen Bevölkerung. In der Bauordnung wurde ein Passus geändert. Künftig muss nicht mehr jede Wohnung mit Kamin ausgestattet sein. Wohnungen, die an das Fernheizwerk angeschlossen sind oder nachweislich mit anderen erneuerbaren Energieformen beheizt werden, dürfen, müssen aber nicht zwingend einen Kamin haben. Genehmigt ist auch die Rahmenvereinbarung, mit der Gemeinde Brenner gemeinsam die „Servicestelle für Bau und Landschaftsangelegenheiten (ex Bauamt)“ und „Demographische Dienste“ zu führen.
Allfälliges
Beim Tagesordnungspunkt „Allfälliges“ wies die Bürgerliste "Gemeinsam für Wiesen-Pfitsch" darauf hin, dass sie nicht über wichtige Themen informiert werde. Stattdessen würden die Informationen auf der Facebookseite der SVP Pfitsch veröffentlicht. So erschien dort am frühen Abend des 31. Oktober die Mitteilung über den Semi-Lockdown, der am selben Tag zu Mitternacht in der Gemeinde Pfitsch in Kraft trat. Wichtige Informationen wie diese sollten für alle Bürger und nicht nur für SVP-Wähler zugänglich sein, so die Gemeinderäte Lucia Russo, Renato Bussola und Christoph Hofer.
Bürgermeister Stefan Gufler erklärt, der Mini-Lockdown sei an einem Samstag innerhalb weniger Stunden verhängt worden. Die Mitteilung wurde über die offiziellen Kanäle des Landes veröffentlicht. Da die Gemeindeämter am Wochenende nicht besetzt sind, habe es auch keine weiteren institutionellen Mitteilungen seitens der Gemeindeverwaltung gegeben. Als SVP wollte man trotzdem so schnell und einfach wie möglich die Bürger erreichen und wählte deshalb den Facebook-Kanal. Auch der Bürgerliste stand es frei, Informationen über ihre Informationskanäle zu verbreiten. Dass Informationen für alle gleich zugänglich sind, gelte für die institutionelle Veröffentlichung. Es solle einer Partei aber auch gestattet sein, eigenständig zu informieren. So beanspruche die SVP auch nicht, dass die Bürgerliste sie über ihre Mitteilungen im Vorfeld informiert. Zudem könne jedes Gemeinderatsmitglied beim Bürgermeister oder einem Ausschussmitglied nachfragen, wenn Informationsbedarf zu einem Thema besteht, so Gufler.
rb