Am vergangenen Dienstag (23. März) fand das zweite Webinar im Rahmen der Veranstaltungsreihe „LandWIRtschaft 2030“ statt, in dessen Fokus die Berglandwirtschaft und die Tierhaltung in Südtirol standen. Wie bereits bei der Auftaktveranstaltung im Jänner meldeten sich bei der anschließenden Diskussion überwiegend Personen, welche die Landwirtschaft nur von der Verbraucherseite her kennen, und – merkwürdigerweise – Zuschauer aus Deutschland zu Wort. Die Vertreter jenes Sektors, um den es hauptsächlich ging – nämlich des Bauernstandes –, schienen bis auf eine Ausnahme nicht vertreten zu sein. Interessanterweise wurde dieser Umstand auch im Rahmen der Bauernbund-Bezirksversammlung im Wipptal und Eisacktal, die am darauffolgenden Tag stattfand, angesprochen (ein Bericht darüber folgt in Kürze).
Die Gesellschaft will wissen, was sie isst und wie die Lebensmittel produziert werden. Damit gerät der Konsument in einen Konflikt mit den Bauern, die von ihren Produkten leben wollen, umriss Moderator Guido Steinegger treffend das Grundproblem.
Auch dieses Mal hatte Landesrat Schuler wieder kompetente Experten versammelt, die sich den Fragen der Zuschauer stellten: Professor Matthias Gauly von der Freien Universität Bozen, der Obmann des Beratungsrings für Berglandwirtschaft, Daniel Gasser, der Moraltheologe Martin Lintner von der Philosophisch Theologischen Hochschule Brixen und die stellvertretende Landestierärztin Gerlinde Wiedenhofer.
„Nach wie vor nimmt das Thema Landwirtschaft einen wichtigen Stellenwert ein, vor allem wenn man bedenkt, dass 90 Prozent der Fläche Südtirols Grünland sind,“ so LR Schuler in seiner Eröffnungsrede. Die Berglandwirtschaft habe die Südtiroler Landschaft geprägt wie kaum ein anderer Wirtschaftszweig und es gebe kaum einen Südtiroler, dessen Vorfahren nicht von einem Bergbauernhof stammten – dies alles mache die Berglandwirtschaft zu etwas Besonderem. Es habe jedoch große Veränderungen in diesem Bereich gegeben, so hätte die Entwicklung zu einer Spezialisierung geführt, sei es, was den Obstbau betrifft als auch die Milchwirtschaft, so LR Schuler.
„Wir hätten heute wohl keine Möglichkeit zu überleben, hätten sich die Milchgenossenschaften nicht auf hochwertig veredelte Produkte spezialisiert, die sowohl italienweit verkauft, als auch in andere europäische Länder exportiert werden. Müsste die produzierte Milch als Frischmilch verkauft werden, wäre die Konkurrenz aus Deutschland und anderen EU-Ländern, die unter völlig anderen Bedingungen und weit billiger produzieren können, zu groß.“
Auf diese Leistung könne man stolz sein, auf der anderen Seite fehlten aber auch aufgrund der klimatischen Bedingungen die Alternativen, weshalb man weiterhin auf Rind-, Schaf- und Ziegenhaltung setzen müsse. Auch das Konsumverhalten habe sich geändert, was sich stark auf die Landwirtschaft auswirke. Denn man müsse das produzieren, was auf dem Markt gekauft wird, betonte LR Schuler. „Die westlichen Gesellschaften haben, so wie frühere Generationen, keine Vorstellung, was Hunger ist – im Gegenteil: unsere Gesellschaft hat sich zu einer Wegwerfgesellschaft entwickelt. Allein in Südtirol werden einer Erhebung zufolge 94 kg Lebensmittel pro Jahr und Person durchschnittlich weggeworfen. Das ist nicht nur schade, sondern auch eine Geringschätzung der Lebensmittel.“
Zudem gebe es aber auch ein Spannungsfeld zwischen der Erwartungshaltung der Konsumenten, wie beispielsweise was die Tierhaltung und das Tierwohl betrifft, und der Landwirtschaft. Am Beispiel der sehr emotional geführten Wolfsdebatte könne man sehen, dass hier Tierwohl gegen Tierwohl stehe. Während in den Nachbarländern und -regionen Bergbauernhöfe aufgelassen und dem Verfall preisgegeben wurden, stehe Südtirol noch gut da. Maßgeblich für die Berglandwirtschaft sei die Milchviehhaltung – rund 126.000 Rinder, Tendenz leicht fallend, stehen in den Südtiroler Ställen, der Großteil davon noch in Anbindehaltung. Weiters werden rund 65.000 Schafe und Ziegen gehalten – auch hier sei eine leicht sinkende Tendenz festzustellen.
„Nachhaltigkeit wird in der Zukunft eine wichtige Rolle spielen – Nachhaltigkeit im ökologischen wie auch im ökonomischen und sozialen Sinne.“
Im Bereich Milchwirtschaft sei beispielsweise die flächenbezogene Landwirtschaft zu einem zentralen Thema geworden, es seien Tierwohlinitiativen entstanden und auch auf politischer Seite habe man in Zusammenarbeit mit verschiedenen politischen Interessenverbänden Konzepte und Leitlinien entworfen bzw. Handlungsfelder festgemacht (Familienbetriebe und der ländliche Raum, Klima- und CO2-Reduzierung, Wasser und Boden, Artenvielfalt und Landschaft, Gesundheit und Genuss, Gesellschaft und Dialog).
„Die ureigenste Aufgabe ist es und wird es bleiben Lebensmittel zu produzieren, wozu es bestimmte Rahmenbedingungen braucht, allerdings muss die Landwirtschaft auch bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen zur Kenntnis nehmen, welche andere Anforderungen stellt.“
Um eine Weiterentwicklung zu ermöglichen, sei die Einbindung der Forschung notwendig, so Schuler. Mit dem Aktionsplan Berglandwirtschaft habe man bereits Rahmenbedingungen geschaffen, um im Bereich Forschung mehr Ressourcen zur Verfügung zu stellen.
„Warum ist man auch noch stolz darauf“, lautete die erste Frage, die den Südtiroler Speck betraf, für dessen Vermarktung ein hoher Aufwand betrieben wird. Das Fleisch wird aus dem Ausland importiert und das veredelte Produkt wiederum ins Ausland exportiert, so der Zuhörer.
Der Südtiroler Speck sei Teil der Südtiroler Tradition und ein wichtiger Wirtschaftsfaktor, obwohl nur ein sehr, sehr geringer Teil der Schweine aus Südtirol stammten, so LR Schuler, der betonte, dass der Zeitraum der Verarbeitung entscheidend sei. Aus ethischer Perspektive betrachtet, müsse man sich fragen, aus welcher Schweinehaltung die Tiere stammten, ergänzte dazu Moraltheologe Linter.
Die nächste Frage betraf das Tierwohl und die Kennzeichnung von tierischen Produkten mit einem Tierwohl-Label. „Ich möchte kein tierisches Produkt in meinem Kühlschrank haben, bei dem ich mir nicht sicher sein kann, dass es dem Tier gut gegangen ist“, so die Anruferin, die zudem die politischen Vertreter ersuchte, die Tierschutzpolizei aufzustocken.
Professor Gauly erklärte, dass es bereits einige Tierschutz-Label auf dem Markt gebe, wie beispielsweise das Bioland- oder Demeter-Kennzeichen, die für gewisse Tierwohl-Standards sorgten. Auf das Tierwohl zu achten, liege aber auch im ökonomischen Interesse der Landwirte selbst, da Tiere, denen es gut geht, weniger häufig einen Tierarzt bräuchten, damit vitaler und auch produktiver seien. Es habe sich in den vergangenen Jahren sehr viel in Sachen Tierwohl getan, ergänzte LR Schuler, der weiters erklärte, dass die Betriebstierärzte in den Ställen Kontrollen durchführten. Es gebe bereits ein staatliches Tierwohlprogramm (Pilotprojekt Classyfarm), das wohl noch ausgeweitet würde. Einige Aspekte seien jedoch auf den kleinen Bergbauernhöfen nur schwer umsetzbar. Landestierärztin pflichtete LR Schuler diesbezüglich bei und betonte, dass dieses Pilotprojekt nicht an alle Betriebsrealitäten angepasst sei und man gemeinsam mit anderen Regionen, in denen Berglandwirtschaft betrieben wird, Gespräche mit dem Landwirtschaftsministerium führe, um die Checklisten bzw. Kontrollen an die Betriebe anzupassen.
Eine Anruferin aus Deutschland kritisierte, die Situation in der Milchviehhaltung, wo es ihrer Meinung nach beim Tierwohl nicht recht weiter gehe. Dabei sei auch die Vermarktung der Produkte nicht ganz unschuldig, die dem Konsumenten vorgaukle, dass die Milchkühe in Südtirol besser leben würden als anderswo, dabei sehe man während der Vegetationsperiode kaum Tiere auf der Weide. Im Gegenteil – sie verbrächten 24 Stunden in Anbindehaltung im Stall. „Wenn man den Ist-Zustand nicht zutreffend beschreibt, dann frage ich mich, wie man nachhaltig etwas verändern möchte“, so die Anruferin.
„Ein Großteil unserer Kühe steht noch in Anbindehaltung“, erklärte Daniel Gasser, der betonte, dass man auch in den kleinstrukturierten Betrieben versuche, der Forderung nach mehr Tierwohl gerecht zu werden. Die Tierwohl-Initiative habe man gemeinsam mit dem Sennereiverband und der Universität Bozen gestartet, darin spielten beispielsweise Kriterien, anhand derer man den Zustand des Tieres beurteilen könne, eine Rolle. Besonders bei Beratungen hinsichtlich von Stall-Neubauten versuche man diese Überlegungen einzubringen. „Beim Tierwohl stellt sich die Frage, wie man diesen Begriff definiert“, so Gasser. Nur weil eine Kuh angebunden sei, heiße das nicht automatisch, dass es dem Tier nicht gutgehe. Die Umstellung auf Laufstall-Systeme werde allerdings einige Zeit benötigen, auch würden vor allem die Jungtiere sehr wohl Auslauf erhalten, indem sie im Sommer auf die Almen gebracht werden. „Man darf nicht alle Betriebe über einen Kamm scheren und pauschal behaupten, dass die Milchkühe keinen Auslauf haben“, betonte Landestierärztin WIedenhofer. Es gebe Betriebe, wo ein Auslauf geländetechnisch nicht möglich sei, es gebe aber auch Betriebe, die dieser Vorgabe sehr wohl nachkommen würden und es gebe natürlich auch schwarze Schafe. „In der Südtiroler Berglandwirtschaft gibt es mittelfristig keine Alternativen zur Anbindehaltung“, stellte Professur Gauly klar und erklärte, dass man Kompromisse eingehen müsse, wolle man diese Betriebe nicht verlieren. Diese kleinstrukturierten Betriebe hätten nämlich eine große Bedeutung für die Pflege der Flächen, für den Tourismus, aber auch für die Sozialstrukturen. Aber auch einem Tier in Anbindehaltung muss ein Wohlergehen ermöglicht werden. Das Land stelle diesbezüglich Förderungen für Umbaumaßnahmen bereit, man müsse aber auch die richtige Tierrasse im Stall haben und man werde wohl nicht umhin kommen, wenigstens in der Vegetationsperiode, diesen Tieren Auslauf zu ermöglichen. Dies bedeute aber auch eine höhere ökonomische Belastung für die Landwirte, die dementsprechend entschädigt werden müssten. Halten die Bauern kleinere Rassen im Stall, hieße das auch eine geringere Produktion, was allerdings mit höheren Preisen kompensiert werden müsste. „Wir müssen hier relativ zeitnah zu Lösungen kommen“, so Gauly.
Ein weiterer Anrufer aus Deutschland, der einen Zusammenhang zwischen der Gesundheit der Bevölkerung und Massentierhaltung herstellte (dadurch würden zunehmend Pandemien entstehen), stellte die Frage, wie sich Südtirol an den wachsenden Markt von pflanzlichen Nahrungsmitteln und rückläufigen tierischen Produkten anpassen wolle.
„Wir sind in Südtirol weit weg von dem, was man ansonsten in Deutschland findet“, erwiderte Gauly. Die Betriebe hätten nicht die Größenordnung, wie man sie mit Massentierhaltung in Verbindung bringen würde. Man habe aufgrund der geografischen Lag auch kaum Alternativen zur Grünlandbewirtschaftung. „Wenn man die Flächen offen halten will, ist nur eine Viehbewirtschaftung möglich“, so Gauly.
Eine Anruferin sprach die Tiertransporte, die viel Leid bei den Tieren verursachten, an.
„Das ist natürlich ein sehr schwieriges Thema“, erklärte LR Schuler. Die Südtiroler Tierhaltung sei auf Milchviehhaltung spezialisiert, es gebe relativ wenige Aufzucht- oder Mastbetriebe. Ein guter Teil der Kälber wird somit verkauft und großteils in Mastbetriebe nach Oberitalien gebracht. Man habe in Südtirol zwar eine gute Kontrolle über die Tiertransporte, dennoch seien diese so weit als möglich einzuschränken. „Es gibt nicht nur schlechte, sondern auch gute Tiertransport-Unternehmen, die sich an alle gesetzlichen Bestimmungen halten“, so Wiedenhofer. Man dürfe hier nicht den Fehler machen zu pauschalisieren und Tiertransporte grundsätzlich zu verurteilen, wobei Geschehnisse, wie sie sich jüngst auf einem Schiff im Mittelmeer zugetragen haben, zu verurteilen seien.
Eine Zuhörerin wollte von LR Schuler wissen, wie sehr die Südtiroler Viehhaltung von Kraftfutterimporten abhängig ist und ob es Pläne gibt, diese zu reduzieren. Zudem erklärte sie, dass bei einem kürzlich stattgefunden Seminar des Landesverbandes Bioland offen das Problem der männlichen Kälber in der Milchviehhaltung angesprochen worden sei. Sie ziehe den Schluss daraus, dass in letzter Konsequenz nur so viel Milch produziert werden sollte, wie von den männlichen Kälbern auch genutzt werden könnte.
Vom Kraftfutter sei Südtirol sehr stark abhängig, erklärte Gauly. Dies stelle natürlich ein Problem für eine Kreislaufwirtschaft dar. Allerdings stehe man vor dem Problem, dass ohne Kraftfutter keine Leistung erzeugt werden könnte, die Betriebe somit nicht wettbewerbsfähig sein könnten und der Einsatz desselben somit eine ökonomische Notwendigkeit sei. Man bräuchte somit ein sehr kluges Konzept, wie man davon unabhängiger werden könnte. Dies sei die Voraussetzung dafür, wie man einen deutlich anderen Auszahlungspreis erreichen könnte. Man befinde sich in einem sehr harten Wettbewerb und Milch werde in anderen Regionen Europas für die Hälfte des Preises erzeugt. Die Frage der männlichen Kälber sei etwas, was einen Viehzüchter natürlich sehr beschäftige. Mit männlichen Tieren aus Einnutzungsrassen, die auf Milchleistung gezüchtet werden, könne man auch international wenig anfangen. Sie würden weniger intensiv versorgt und frühzeitig auf Kälbertransporten verladen, was zu großem Tierleid führen würde. Man diskutiere in Südtirol intensiv, ob nicht stärker auf Zweinutzungsrassen gesetzt werden sollte. „So groß der Wille bei den Landwirten auch ist, hier eine Verbesserung zu erzielen, am Ende des Tages muss die Rechnung gemacht werden“, stellte Gauly klar. Man habe zwar einige Ideen, könne sie aber ökonomisch nicht umsetzen.
Gasser unterstrich das positive Beispiel der Heumilch, wo 75 Prozent Raufutter eingesetzt werden muss und nur ein geringer Teil an Kraftfutter zugefüttert werden darf. Bzgl. des Problems mit den männlichen Kälbern gebe es innovative Ideen, wie beispielsweise die Methode der „Sexing-Technologie“, womit man zu 90 Prozent die Geburt von weiblichen Kälbern erzielen könne. Dies sei einerseits sehr interessant für die Nachzucht, andererseits verhindere es den Verkauf und die Transporte der männlichen Tiere.
„Wie weit gehen wir bei der Erhaltung der Betriebe“, lautete die Frage des nächsten Teilnehmers, der die Meinung vertrat, dass einige Betriebe schon längst geschlossen gehörten. Denn die Erhaltung aller Höfe gehe auf die Kosten des Tierschutzes und man hinke internationalen Standards im Tierschutz 15 Jahre hinterher.
In manchen Bereichen wie der Milchwirtschaft hinke man anderen Ländern nicht hinterher, so LR Schuler, sondern im Gegenteil, sei sogar weit voraus. Leider gebe es unter den Landwirten auch schwarze Schafe, die sich nicht an Tierwohl-Standards halten würden, an einer Lösung werde jedoch gearbeitet. Aber es gebe auch Positives zu berichten wie beispielsweise, dass rund 90.000 Stück Vieh jedes Jahr auf eine der rund 1.300 Almen aufgetrieben würden und in puncto Freilandhaltung viel getan werde.
„Wenn wir zukünftig für unsere Produkte einen angemessenen Preis haben wollen, ist es wesentlich, dass wir eine Geschichte dazu erzählen können, die stimmig ist. Das beinhaltet nicht nur die Informationsweitergabe, wie die Lebensmittel entstanden sind, sondern auch unter welcher Voraussetzung.“ LR Schuler
Die Situation in anderen Ländern sei nicht wesentlich besser als in Südtirol, fügte Gauly hinzu. Mit dem Tierwohl-Monitoring, das in Südtirol eingeführt wird, sollen Betriebe auch die Chance haben, Fehler zu sehen und Verbesserungen durchzuführen. „In den Genossenschaften vertritt man die Meinung, dass, wer nicht lernfähig oder lernwillig ist, sich aus der Produktion verabschieden wird müssen“, stellte Gauly klar.
Der Sarner Landtagsabgeordnete Franz Locher meldete sich zu Wort und wollte von Professor Gauly wissen, was er denn seinen Studenten, die aus der Landwirtschaft kommen und die sich eine Arbeit suchen müssten, um den Hof zu erhalten, raten würde. Weitermachen oder Hof aufgeben? Was darf die Leistung der Bergbauern der öffentlichen Hand kosten? „Wenn man der Realität ins Auge sieht, so muss man sagen, dass diese Arbeit nicht rentabel ist“, meinte Locher. Während der vergangenen 30 Jahr habe es im Milchsektor eine Inflation von einem Prozent gegeben, während in anderen Wirtschaftsbereichen eine Inflation von fünf Prozent zu verzeichnen ist. „Das stimmt hinten und vorne nicht“, so der Landtagsabgeordnete, der die Situation der Bergbauern Höfe als arbeitsaufwändig und ertragsarm beschrieb. Auf der anderen Seite erbringe die Landwirtschaft ein unbezahlbare Leistung, die der Landschaft und dem Tourismus zugute komme.
„Zur Frage, ob ich jungen Menschen zur Hofübernahme raten würde, ein klares Ja“, gab Gauly zur Antwort, der weiters erklärte, dass die Arbeit der Berglandwirtschaft immer mit Kosten für die öffentliche Hand verbunden sei. Subventionen müssten daher auch künftig fließen. Seiner Ansicht nach, liege die Lösung in der Kombination aus Förderungen und Wertsteigerungen für das Produkt. Corona habe gezeigt, dass Konsumenten bereit seien, mehr für regionale Produkte auszugeben, weil man erkannt habe, wie fragil Lieferketten sein können.
Ein Zuhörer betonte die Bedeutung der Weidehaltung, die das Um- und Auf sei – speziell in der Ziegenhaltung. Diese Tiere sorgten nämlich dafür, dass die Flächen offen gehalten würden.
Natürlich habe die Weidehaltung einen besonderen Stellenwert in der Südtiroler Landwirtschaft, gab LR Schuler zur Antwort. Bei der Ziegenhaltung sei es leider so, dass die Freilandhaltung mitunter zu Problemen wie beispielsweise Verbissschäden an Bäumen führe. Dies habe immer wieder für Konflikte mit den Forstbehörden gesorgt. Es gebe auch bei den Ziegenhaltern „schwarze Schafe“, die meinten, dass sie ihre Tiere im Frühjahr irgendwo freilassen und im Herbst wieder einsammeln könnten – dies unter dem Deckmantel der freien Weidehaltung. Nicht umsonst gebe es seit Jahrhunderten verbriefte Rechte bzgl. Weideanteile und Regeln für den Wald.
Ein Zuhörer kritisierte die Lebensmittelverschwendung und meinte, dass Förderungen von regionalen Produkten und Bauernmärkten dies einschränken könnten. Förderungen würden jedoch für die „industrielle“ Landwirtschaft wie die Milchproduktion ausgeschüttet, dies stehe eigentlich im klaren Widerspruch „Weshalb können die Förderungen nicht anders verteilt werden? Für Konzepte der solidarischen Landwirtschaft etwa?“
„Wir können viele Lebensmittel in unserem Land selbst produzieren, aber wir müssen der Realität auch ins Auge sehen“, entgegnete LR Schuler. Die meisten Lebensmittel oder deren Rohstoffe, die in Südtirol konsumiert würden, stammen aus anderen Ländern wie beispielsweise Kaffee oder Schokolade. Vor allem seien wir es nicht nur gewohnt, eine Vielfalt auf dem Teller zu haben, sondern auch das ganze Jahr hindurch. Die Produktion von Obst und Gemüse im Winter könne die Südtiroler Landwirtschaft nicht stemmen. Wenn man Regionalität fordere, bedeute dies auch eine Änderung im Konsumverhalten bzw. eine Einschränkung im Konsumverhalten. Bzgl. Lebensmittelverschwendung kritisiere er nicht nur die Geringschätzung für das Produkt Lebensmittel, vor allem habe das auch mit den vielen Vorschriften zu tun. Sobald das Verfallsdatum überschritten sei, müsste das Produkt weggeworfen werden, obwohl es für einen bestimmten Zeitraum durchaus noch genießbar wäre. Man sollte es hier nicht so genau nehmen mit der Haltbarkeitsangabe und eher auf eine Genießbarkeitsangabe hinarbeiten, so LR Schuler. Leider sei es auch bei diesem Thema so, dass, würde Fleisch, dessen Haltbarkeitsdatum überschritten worden ist, zum Verkauf angeboten, die Medien gleich wieder einen Gammelfleischskandal herbeischreiben würden. Man müsse auf allen Baustellen arbeiten, die Landwirtschaft müsse einerseits nachhaltiger werden, aber auch der Konsument müsse sein Konsumverhalten ändern. Die Milchwirtschaft würde er nicht als Industrie bezeichnen, denn viele kleine Bergbauernhöfe, die in Genossenschaften zusammengeschlossen seien, würden Milch produzieren, aus denen nicht nur Lebensmittel gewonnen werden, sondern vor allem Genussmittel.
Bei der abschließenden Umfrage „Was wird die größte Herausforderung für die heimische Berg- und Milchwirtschaft sein?“ gab die überwiegende Mehrheit „eine standortangepasste, tiergerechte Milchviehhaltung“ an, 19 bzw. 21 Prozent nannten „Transparenz und das Marketing der Produkte“ sowie „Regionalität und Klimaschutz“.
at