Das Wipptal – ein Urlaubsparadies für Touristen. Doch die Urlaubsgäste sind längst abgereist, das Corona-Virus hat dem Tourismus einen herben Dämpfer versetzt. Wann sie wiederkommen, weiß man nicht. Keine einfache Situation für die Tourismusbetriebe und -vereine, trotzdem wird bereits mit viel Engagement und Zuversicht am Restart gearbeitet. Im Gespräch mit Florian Mair, Direktor der Tourismusgenossenschaft Sterzing-Pfitsch-Freienfeld.
Erker: Herr Mair, welche Auswirkungen haben die derzeitigen Einschränkungen auf die Tätigkeit der Tourismusgenossenschaft? Bzw. wie sieht derzeit Ihr Arbeitsalltag und der Ihrer Mitarbeiter aus?
Florian Mair: Die Arbeit der Tourismusgenossenschaft wurde zum großen Teil heruntergefahren. Die Frontoffice Mitarbeiter arbeiten von zuhause aus und sind immer am Vormittag für telefonische Auskünfte und Anfragen via E-Mail erreichbar. Je nach Notwendigkeit arbeiten die anderen Mitarbeiter oder nehmen an Videokonferenzen teil. In den ersten zwei Wochen haben wir versucht, die Situation optimal zu nutzen und die Sommerveranstaltungen fast zur Gänze final organisiert. Als sich dann bald herausgestellt hat, dass alles länger dauern wird, haben wir unser Bemühen auch dahin gestoppt. Aktuell ist noch nicht klar, ob die Konzerte, die Laternenpartys oder das Gästeprogramm überhaupt umgesetzt werden darf. Auch im Bereich Marketing sind wir mit der IDM im engen Austausch und bereiten den Restart des Tourismus vor.
Der deutsche Außenminister Heiko Maas sagte kürzlich in einer Videokonferenz mit Vertretern aus Österreich, der Schweiz und Luxemburg, dass es heuer keinen „normalen“ Urlaub geben wird, sondern nur einen mit Einschränkungen. Was bedeutet das für Südtirol, für das Wipptal? Wie hoch ist eigentlich der Anteil der Urlaubsgäste aus Deutschland im Wipptal?
Es wird mit Sicherheit Einschränkungen geben. Welches Ausmaß diese haben werden, wissen wir leider alle noch nicht. Und genau diese Unsicherheit ist das Problem. Niemand weiß, wann es wieder losgehen wird. Darf überhaupt gereist werden? Mit wem und wohin darf gereist werden? Auf Einschränken kann man sich einstellen, wenn man sie kennt. Die Unsicherheit hat aber niemand im Griff und niemand kann auf die vielen offenen Fragen Antworten geben. Das ist das große Problem.
Gut 40 Prozent der Gäste der Tourismusgenossenschaft kommen aus Deutschland. Neben Italien ist der deutsche Gast der wichtigste Gast für unser Gebiet und deshalb haben Entscheidungen, die in Deutschland getroffen werden, Auswirkungen auf unser Gebiet.
Generell: Tourismus nur mit Einschränkungen – wie könnte das aussehen?
Wie schon gesagt, kann man sich auf Einschränkungen gefasst machen und mit diesen Einschränkungen umgehen, wenn man sie kennt. Leider gibt es noch nicht einmal ansatzweise Informationen darüber, wie diese Einschränkungen aussehen könnten. Der HGV z.B. hat auf seiner Homepage eine ganze Liste mit Regeln und Maßnahmen online gestellt, welche es einzuhalten gilt, wenn Speisen verabreicht werden – siehe dazu folgenden
Link. Für jeden Bereich und für jede Sparte müssen solche und ähnliche Regeln ausgearbeitet werden, damit jeder Betriebsinhaber und auch jeder Gast weiß, worauf er sich einstellen muss.
Die Einschränkungen gelten auch für Veranstaltungen, zu denen erfahrungsgemäß viele Besucher kommen. Wie könnten Events unter Einhaltung der Verordnungen abgehalten werden?
Aktuell ist der Stand so, das sämtliche Veranstaltungen abgesagt wurden. Ob und in welcher Form im Sommer dann Events stattfinden dürfen, wird sich mit der Zeit zeigen. Mit Sicherheit müssen für jedes Event dann geeignete Maßnahmen ausgearbeitet werden, ähnlich einem Sicherheitskonzept, wie es bereits bei vergangenen Veranstaltungen angewandt wurde.
Tourismus bzw. Urlaub kann man schlecht „digital“ gestalten. Gibt es trotzdem Bereiche, wo die Möglichkeiten der neuen Medien den Tourismusvereinen zugute kommen?
Urlaub digital verlegen, kann man nicht. Was man allerdings versuchen kann, ist Vorfreude schaffen, mit emotionalen Bildern oder Videos, mit authentischen Geschichten und Storytelling, sei es auf Webseiten oder in den sozialen Medien. Der Tourismus ist allgemein führend, wenn es um die Nutzung neuer Medien geht. Egal, ob es um die klassischen Kanäle wie Facebook, Instragram oder YouTube geht, oder um die Nutzung von Tik Tok, Pinterest usw … Jedes Netzwerk hat da seinen Charakter und seine Eigenschaften. Zudem spricht man über die verschiedenen Kanäle auch teils verschiedene Zielgruppen an. Nicht nur, aber gerade auch jetzt sind für den Tourismus diese Medien von enormer Wichtigkeit, wenn es darum geht, die Verbindung bzw. das Verhältnis von Tourismustreibenden zum Gast/Kunden aufrecht zu erhalten. Die IDM Südtirol arbeitet bereits seit Wochen an einer großen „Restart Südtirol“ Kampagne, durch welche der Tourismus nach der Krise wieder aufgebaut werden soll. Unter dem Stichwort #alleswaswirlieben werden gemeinsam mit der IDM und unseren Mitgliedsbetrieben positive Emotionen, Erlebnisse und Momente aus dem Urlaubsland Südtirol in den sozialen Medien gestreut. Man merkt dabei verstärkt, dass sich unsere Gäste in dieser schwierigen Zeit über tolle Bilder und Eindrücke aus ihrem Urlaubsland freuen.
Gibt es bereits Ideen, Vorschläge, wie sich der Tourismussektor nach der Öffnung positionieren möchte? Möchte man vielleicht verstärkt auf einheimische Konsumenten, Besucher und Urlauber setzen?
Grundsätzlich gilt unseren Hauptmärkten Deutschland und Italien auch weiterhin die große Aufmerksamkeit. Als Südtiroler Tourismusbetrieb auf Südtiroler Gäste zu setzen, ist grundsätzlich eine gute Idee, aber seien wir ehrlich: Der Einheimische kann nur zu einem ganz kleinen Prozentsatz die Gästebetten der Südtiroler Betriebe füllen.
Wie wird Ihrer Meinung nach die Zukunft des Tourismus nach Corona aussehen? Können Sie sich vorstellen, dass dieser Einschnitt auch langfristig etwas verändern wird?
Grundsätzlich und mittelfristig wird Südtirol von dieser Krise profitieren. Der Qualitätstourismus, für welchen Südtirol steht, wird sich noch stärker etablieren und den Gästen das Vertrauen schenken, das sie nach dieser Krise benötigen. Experten sagen, dass Flugreisen in Länder mit niedrigeren Gesundheitsstandards abnehmen werden. Südtirol wird von diesem Umstand profitieren. Das ländliche Umfeld mit den Rückzugstälern und unseren Bergen sowie die gute Erreichbarkeit wird für unsere Region als Urlaubsdestination sprechen. Unsere Region steht für keinen Massentourismus, sondern für hochwertigen Aktiv-Tourismus rund um die Kleinstadt Sterzing.
Interview: at