Fast das gesamte Siedlungsgebiet in der Gemeinde Franzensfeste liegt in einer roten Zone. Was bedeutet das für die Gemeinde und seine Bürger? Morgen wird der Gefahrenzonenplan über die Videoplattform Microsoft Teams der Öffentlichkeit vorgestellt.
Bürgermeister Thomas Klapfer hat einige schlaflose Nächte hinter sich. Alles rot, von Grasstein bis Franzensfeste. Kaum ein Fleck im 2,4 km2 großen Dauersiedlungsgebiet, der vor Hochwasser, Lawinen, Steinschlag oder Muren sicher sein soll. Überraschend ist das Ergebnis, zu dem der neue Gefahrenzonenplan gekommen ist, nicht wirklich: Die Berghänge im Gemeindegebiet sind steil, das Tal eng. Trotzdem sei der Plan im ersten Moment „schwer zu verdauen“ gewesen, so Klapfer.
„Fast das ganze Gebiet unsicher“
Der ehemalige Bürgermeister Richard Amort hat vor neun Jahren die Ausarbeitung des Gefahrenzonenplanes in die Wege geleitet. Mit einem Budget von rund 120.000 Euro haben Techniker für jedes Naturereignis und jeden gefährdeten Standort Szenarien ausgearbeitet, die eintreten könnten. Im Gefahrenzonenplan sind die gefährdetsten Flächen in Rot (H4 – sehr große Gefahr) gekennzeichnet. In diesen Zonen darf weder neu gebaut noch erweitert werden, da bei einem Naturereignis Menschen getötet, Gebäude, Infrastruktur und Umwelt schwer beschädigt und zerstört werden könnten. Wenig, aber etwas mehr Spielraum gibt es in Gebieten, die blau (H3 – große Gefahr) oder gelb (H2 – mittlere Gefahr) markiert sind.
„Fast das ganze Gebiet ist unsicher, mit Ausnahme des Landesmuseums Franzensfeste“, bringt es Gemeindetechniker Martin Braunhofer auf den Punkt. Bei Hochwasser könnte Grasstein abgeschnitten werden, wegen des Grabens und des nahegelegenen Eisacks befindet sich auch die Gewerbezone Greithwald in einer roten Zone. Die Brücke in Mittewald könnte einem Hochwasser nicht standhalten, sie müsste erhöht werden. Probleme bereiten auch die Gräben oberhalb des Gasthofs „Thaler“. Franzensfeste liegt in den Zonen H3 und H4, verursacht durch verschiedene Gefahren: Riol ist von einer Lawinengefahr (H4 – H3) betroffen. Ein kleiner Teil von Grasstein wurde aufgrund von Massenbewegungen der Zone H4 zugeordnet, ansonsten sollte der Weiler vor Muren oder Steinschlag sicher sein. Der Hof „Sachsenklemme“ gegenüber der Brauerei liegt in der roten Zone, ebenfalls der Achthof. In Mittewald steht eine Gebäudereihe von vier Wohnhäusern (Wotscher) in einer roten Zone. In Riol sind die Gebäude ebenfalls von Massenbewegungen bedroht (rot). Hier wurde der Schindlergraben verlegt und in das Riolauffangbecken geleitet. Die Arbeiten sind noch nicht abgeschlossen.
Sicherheit kostet 23 bis 25 Millionen Euro
Für die Gemeinde gilt es nun, Prioritäten zu setzen und zu entscheiden, welche Flächen wie gesichert werden. Zeitliche Vorgaben gibt es nicht, Zeitdruck hat die Gemeinde trotzdem. Was tun, wenn ein Unternehmer oder eine Privatperson sanieren, umbauen, erweitern oder neu bauen möchte? In einer roten Zone ist dies verboten. „Andererseits: Baut jemand in einer Gefahrenzone und kurz darauf donnern Steine auf das Haus nieder und töten Menschen, wäre dies weit schlimmer“, so Klapfer. Unvergessen bleiben die heftigen Unwetter vor 22 Jahren, als sich im Ortsteil Sams/Oberau eine Schlamm- und Gerölllawine löste und die Brennerautobahn verschüttete. Fünf Menschen kamen ums Leben. Weitere Muren gingen im Sommer 2009, u. a vom Tschinglergraben ab, dabei starb eine weitere Person. Bei den Unwettern in den vergangenen Jahren hatte Franzensfeste Glück. Die Muren sind über die verbauten Gräben heruntergekommen, Siedlungen und Menschen waren nicht gefährdet. Klapfer ist zuversichtlich, dass in den nächsten Jahren sehr viele Situationen entschärft werden können. Ein Gefahrenzonenplan stellt den Ist-Zustand dar. Eine rote Zone bleibt so lange eine rote Zone, bis entsprechende Schutzmaßnahmen ergriffen worden sind. Dann wird der Gefahrenzonenplan neu angepasst. Bereits im vergangenen Sommer hat der Gemeindeausschuss grob besprochen, wo welche Maßnahmen nötig wären und wen er um Unterstützung fragen könnte, etwa das Amt für Straßenbau, Zivilschutz, Wildbach, vielleicht auch die BBT-Gesellschaft … In den nächsten zehn Jahren will die Gemeinde so viele Maßnahmen wie möglich umgesetzt haben - sofern sie die Finanzierung dafür auftreiben kann. Erdwälle aufschütten wäre laut Klapfer eine einfache, kostengünstige Lösung, aber in Franzensfeste fehlt der dafür nötige Platz. 23 bis 25 Millionen Euro würde es kosten, um das Gemeindegebiet vor den größten Gefahren zu sichern. Auch die gesicherten Hänge und verbauten Gräben bräuchten einen zusätzlichen Schutz, da die Sicherheitsstandards unlängst neu berechnet und verschärft worden sind. Selbst wenn das Land 70 Prozent beisteuert, bleibt die zu stemmende Summe für die Gemeinde immer noch hoch. Trotzdem will die Gemeinde die Entschärfung der Gefahren baldmöglichst angehen.
Vorstellung des Gefahrenzonenplanes
Morgen, am 4. Februar, wird der Gefahrenzonenplan über die Plattform Microsoft Teams vorgestellt – um 18.00 Uhr in italienischer und um 20.00 Uhr in deutscher Sprache. Die Vorstellung war bereits im vergangenen Herbst geplant, musste aber wegen der Coronapandemie auf unbestimmte Zeit verschoben werden. Die Bürger haben die Möglichkeit, technisch begründete Einwände vorzubringen. Anschließend kommt der Plan zur Genehmigung in den Gemeinderat, um ihn dann an die Landesregierung weiterzuleiten.
(Foto: Gefahrenzonenplan Franzensfeste)
rb