Am „Europäischen Tag der Depression“ am 1. Oktober werden an den Krankenhäusern Bozen, Meran, Brixen und Bruneck Informationsstände zum Thema Depression eingerichtet.
Zwanzig Jahre Aufklärung über Depression haben in Südtirol deutliche Spuren hinterlassen. Die nationale Gesundheitsbefragung PASSI stellt Südtirol ein exzellentes Zeugnis aus: Nur 3,6 % der Befragten in Südtirol wiesen depressive Symptome auf, das ist eine der niedrigsten Raten Italiens. Molise hatte im Vergleich 12,4 % depressive Befragte. Und 75 % der Erkrankten in Südtirol holten sich Hilfe, das ist einer der höchsten Prozentsätze Italiens - in Molise waren es nur 42 %. Diese beeindruckende Statistik bezieht sich auf die Krisenjahre 2022 und 2023. Den Corona-Schock scheint Südtirol besser überstanden zu haben als viele andere Regionen, wohl auch, weil eine jahrzehntelange Vorbereitung auf das Thema stattgefunden hat.
Der „Europäische Tag der Depression“ wird in Südtirol seit 2004 begangen. Er fällt auf den 1. Oktober und gewährleistet breit gefächerte Aufklärung über das Krankheitsbild und mögliche Hilfen. Zu diesem Zweck hat die „Europäische Allianz gegen Depression“ zusammen mit den Primaren für Psychiatrie in Südtirol beschlossen, an den vier Krankenhäusern Bozen, Meran, Brixen und Bruneck wieder einen Informationsstand zum Thema Depression einzurichten. Den ganzen Tag über werden in den Eingangsbereichen die Broschüren „Depression – was tun?“ zum Mitnehmen aufliegen. Sie bieten einen verständlichen Überblick über die aktuell einschneidendste Krankheit weltweit.
Das Projekt wird vom Südtiroler Sanitätsbetrieb, vom Verband der Angehörigen „Ariadne“, von der Selbsthilfevereinigung psychisch Kranker „Lichtung/Girasole“ und von allen Rotariern Südtirols gemeinsam getragen. Rotary hat auch die Kosten die Broschüren übernommen.
Der Apothekerverband Südtirols sorgt heuer unter seinem Präsidenten Maximin Liebl dafür, dass die Broschüren Anfang Oktober in jeder Apotheke des Landes aufliegen.
Am Krankenhaus Brixen wird am 1. Oktober zusätzlich die Beratungsecke Depression eingerichtet: Von 9.00 bis 12.00 Uhr werden Richard Santifaller als Betroffener, von 14.00 bis 17.00 Uhr Psychiatrie-Primar Dr. Roger Pycha, allen Interessierten für Gespräche zur Verfügung stehen.
Durchschnittlich 5 % der erwachsenen Bevölkerung kranken in der westlichen Welt in jedem Augenblick an Depressionen, fast doppelt so viel Frauen wie Männer. In den Großstädten sind Depressionen noch häufiger: 10 % ihrer Bewohner leiden daran. Allein schon dieser Umstand beweist, dass Depressionen auch mit der Leistungsgesellschaft zusammenhängen, mit dem hektischen Lebensrhythmus und den vielen sozialen Verpflichtungen, denen wir ausgesetzt sind. Darüber hinaus spielen erbliche Einflüsse und frühkindliche Erfahrungen bei ihrer Entstehung eine große Rolle.
Die Depression ist laut WHO die Volkskrankheit, die der Menschheit am meisten gesunde Lebensjahre raubt. Sie verschlingt in hoch entwickelten Ländern 1 % des Bruttosozialproduktes. Sie kann jeden treffen. Die zwei wichtigsten Kennzeichen der Depression sind dauerhaft gedrückte Stimmung und der Verlust von Freuden und Interessen. Betroffene haben manchmal nicht mehr die Kraft, Entscheidungen zu treffen, sich Hilfe zu holen oder zu klagen. Viele beschreiben sich als so leer, dass sie nicht einmal mehr weinen können. Andere sind innerlich unruhig, verspannt und voller körperlicher Symptome. Kopf- oder Rückenschmerzen, Druck auf der Brust, unerträgliches Kribbeln im Bauch, Schwindel und Schwäche bei allen Bewegungen sind die häufigsten körperlichen Merkmale einer Depression. Aber auch Mundtrockenheit, Sehstörungen und Haarausfall können auftreten.
Die Säulen der Behandlung stellen Psychotherapie, antidepressive Medikamente und Teilnahme an Selbsthilfegruppen dar. Psychotherapie ist Behandlung und Heilung durch das Wort, durch Gespräche, durch Übungen und das Erlangen neuer Einstellungen zu alten Problemen. Bis Psychotherapien wirken, können allerdings Monate vergehen. Medikamentöse Behandlungen mit Antidepressiva sind hilfreich, um innerhalb weniger Wochen die Energie und die Stimmung wieder zu normalisieren. Häufig wird beides kombiniert, um rasche Besserung und nachhaltige Veränderung zu erreichen. Aber auch Schlafentzug, Lichttherapie, Magnetstimulation, die Gleichstromhaube oder die Elektrokrampftherapie können in bestimmten Fällen zu besten Heilerfolgen führen.
Beste Anlaufstellen für depressiv Erkrankte sind die Ärztinnen und Ärzte für Allgemeinmedizin, Zentren für Psychische Gesundheit und die Psychologische Dienste, aber auch privat praktizierende Psychiater und Psychotherapeuten. In Notfällen, die mit schwerer Erkrankung oder Suizidgefahr verknüpft sind, soll man sich an die Notfallnummer 112 oder an die Notaufnahmen der Krankenhäuser von Bozen, Meran, Brixen oder Bruneck wenden. Dort besteht rund um die Uhr ein psychiatrischer Bereitschaftsdienst. Auch das psychologische Krisentelefon 800101800 ist pausenlos erreichbar.
Südtirol steht im Kampf gegen die Depression im italienweiten Vergleich ganz ausgezeichnet da. Es hat, nach zwei Jahrzehnten intensiver Prävention, einen geringen Prozentsatz an Befragten, die depressiv wirken (3,6 %, italienischer Durchschnitt 5,9 %), und eine hohe Rate an Hilfesuchenden (75,3 %, italienischer Durchschnitt 64,7%).
Ein starkes Netzwerk der Beratung und Begleitung besteht in Südtirol auch. Die „Telefonseelsorge“ der Caritas 0471 052052, „telefono amico“ 02 23272327 und „Young and direct“ 0471 1551551 stellen wertvolle Gesprächspartner in seelischen Krisen dar. Selbsthilfegruppen für Betroffene werden von der Vereinigung „Lichtung/Girasole“, Tel. 0474 530266, im ganzen Land angeboten. Angehörigengruppen können beim Verein „Ariadne“, Tel 0471 260303, kontaktiert werden.